Sprache und Identität der Mongolen Chinas heute
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Die vorliegende Arbeit beschreibt den gegenwärtigen Sprachgebrauch bei zweisprachigen, d. h. Mongolisch und Chinesisch sprechenden Mongolen in der Autonomen Region Innere Mongolei der Volksrepublik China und untersucht die Bedeutung der Sprache für die Identität dieser Mongolen. Der Zusammenhang zwischen Sprache und Identität sowie die Relevanz der Sprache für die Identitätskonstruktion werden sowohl innerhalb dieser Sprechergruppe als auch von den Mongolen der Republik Mongolei, die für die Beschreibungen herangezogen werden, unterschiedlich interpretiert und gerechtfertigt. Ausschlaggebend für diese Interpretationen sind die Überschneidung von Kategorien („cross-cutting ties“), die auf gruppentypischen Merkmalen, wie etwa dem Sprachgebrauch, basieren. Mittels Inklusions- und Exklusions-Strategien, die die jeweilige Identitätskonstruktion unterstützen, können diese Merkmale ignoriert, uminterpretiert oder unterschiedlich stark betont werden. Die Arbeit beschreibt und erklärt diese Interpretationsunterschiede. Die bilingualen Mongolen vermischen beim Sprechen Mongolisch und Chinesisch, wobei eigentümliche Wortneuschöpfungen entstehen, von der Autorin Sinismen genannt. Es handelt sich hierbei um die mongolische Wiedergabe chinesischer Wörter und Begriffe. Mongolisch-chinesische Sprachkontakt-Erscheinungen haben bereits Eingang in das Genre „bensen üliger“ (Heftgeschichten) der mongolischen mündlichen Traditionen gefunden. Bensen üliger sind von ursprünglich schriftliche Vorlage ausgehende mündlich tradierte moderne Spielmannsdichtungen der Inneren Mongolei. Das erste Kapitel befasst sich mit begrifflichen Einordnungen, demografischen und geografischen Beschreibungen der Inneren Mongolei sowie Erläuterungen zum Sprachgebrauch in diesem Gebiet. Das zweite Kapitel beschreibt das Genre bensen üliger, seine Entstehung und Verbreitung, die Rezitationsformen, die chinesischen Vorlagen sowie chinesischen Termini. Im dritten Kapitel wird die Differenzierung zwischen Hàn und Nicht-Hàn in historischer Perspektive beleuchtet, da sich hier Erklärungen für die gegenwärtig unterschiedliche Behandlung der einzelnen Gruppen und ihren Sprachgebrauch durch den chinesischen Staat finden lassen. Das Kapitel vier befasst sich mit der Sprachkontaktsituation in der Inneren Mongolei. Es werden Fälle von Code-switching zwischen Mongolisch und Chinesisch, Transfer-Erscheinungen in Bereichen der Lexik, Phonologie, Morphologie und Syntax sowie Wortneuschöpfungen, die Sinismen, ausführlich beschrieben und linguistisch analysiert. Im fünften Kapitel wird der Zusammenhang von Sprachgebrauch und Identität behandelt und erläutert, dass sich die Mongolen der Inneren Mongolei in einem Positionierungs-Dilemma befinden: Als Teil des chinesischen Staates müssen sie sich gesellschaftlichen Ordnungen und sprachlichen Praktiken anpassen, sie haben aber gleichzeitig den Wunsch, ihre mongolische Identität zu bewahren, auch um sich gegen den Vorwurf von Mongolen aus der Republik Mongolei zu wehren, sie seien zu Chinesen geworden. Nur durch das situationsabhängig wechselnde Einnehmen beider Positionen (der chinesischen oder mongolischen) gelingt es ihnen, Argumente zu finden, um eine mongolische Identität im dynamischen Umweltbezug immer wieder neu zu konstruieren und zu rechtfertigen. In einem Schlussteil werden die Ergebnisse zusammengefasst.