Erdmandeln, Zichorie, Malz - ein Traum von Kaffee
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Rüsselsheim war mehr als ein Jahrhundert der wichtigste Standort der Zichorienindustrie im Rhein-Main-Gebiet. Hier gründeten 1819 der Kaufmann Heinrich Zahn aus Frankfurt und der kapitalkräftige Heinrich Volbrecht aus Scharzfeld im Harz eine Zichorienfabrik und stellten die damals beliebteste Form des Kaffeeersatzes her. Ohne die Ausbreitung des Bohnenkaffees ab dem 17. Jahrhundert hätte es nie eine Kaffeemittelindustrie gegeben. Wegen des hohen Preises für „Bohnenkaffee“ suchte man schon frühzeitig nach preisgünstigen Ersatzstoffen, von denen jedoch keiner den Duft und das Aroma des echten Kaffees erreichte. Jedermann kennt die wildwachsende Zichorie oder Wegwarte mit ihren schönen blauen Blüten, die auf den magersten Böden gedeiht. Die Rüsselsheimer Zichorienfabrik lag hinter dem Maindamm und war einer der ersten Industriebetriebe am Ort. 1844 übernahm Friedrich Engelhardt (1816-1904) den aufblühenden Betrieb (Engelhardtshof) und baute ihn aus. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts erweiterte die Firma ihre Produktpalette und stieg auch in die Herstellung von Malzkaffee ein. Die einfallsreichen farbigen Verpackungen u. a. für „Damen-Kaffee“ und „Gesundheitskaffee“ belegen eine geschickte Werbungs- und Verkaufsstrategie. Wie in anderen Branchen gab es auch beim Kaffee-Ersatz einen Verdrängungs- und Konzentrationsprozess, aus dem die heute zum Nestlé-Konzern gehörige Firma Heinrich Franck Söhne in Ludwigsburg als Sieger hervorging. 1908 übernahm der Kaffeemittelhersteller Hauswaldt aus Magdeburg den Engelhardtschen Betrieb, legte ihn aber schon 1925 still, als er selbst Opfer des Konzentrationsprozesses geworden war und selbst von Franck übernommen wurde. Die Liegenschaften in Rüsselsheim gingen an die Adam Opel AG über. 1966 übernahm die Stadt Rüsselsheim das ehemalige Betriebsgelände, das zu Wohnzwecken genutzt werden sollte.