Begegnung und Bewegung
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Das goethesche Schreiben lebt von dem Gesagten und zugleich von dem Nicht-Gesagten. Seine Texte verweben das Vorhandene und die Lücke. Und das, was Goethe eigentlich sagen will, verbirgt sich in diesem Unausgesprochenen. Daher wollen die geschriebenen Worte ganz genau, mit besonderer Aufmerksamkeit, gelesen werden, damit man deren Implikationen und dadurch dem Fehlenden auf die Spur kommen kann. Trotz der Verdienste sowohl der älteren als auch der neueren Beiträge, die Ottilies Tod und die Legendenbildung am Ende von Goethes Roman Die Wahlverwandtschaften aus einer christlichen Heiligentradition heraus lesen, fehlt bis jetzt eine Untersuchung, die diese These anhand der im Text vorzufindenden Sprache genau belegt, und die beleuchtet, worin das Heilige Ottilies liegt und wie konsequent Goethe seine Sprache zu diesem Schluss hin gestaltet. Der Interpretation ist es daher ein besonderes Anliegen, durch das genaue Lesen den Romantext selbst in den Mittelpunkt zu stellen und – unter besonderer Berücksichtigung der Konfiguration – der Eigendynamik des Textes zu folgen. Dabei deckt die Interpretation auf, welche Idee Goethe in diese Figur hineingelegt hat: Liebe in der Verwobenheit von dem platonisch-aristophanischen Eros und der christlichen Agape, wobei sich letztere schließlich als stärker erweist.