Nischen im Wandel
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Olaf Reis beschreibt am Beispiel der deutschen Wiedervereinigung, wie sozialer Wandel auf Familien wirkt, von ihnen bewältigt wird und das Verhältnis der Generationen beeinflusst. Für die Studie werden Daten aus drei Jahrzehnten verarbeitet, die vom Beginn der Rostocker Längsschnittstudie 1970 bis zu den Interviews 1998 reichen. Es wird gezeigt, dass das generationale Verhältnis zwischen Kindern und Eltern von ihren Konflikten, aber auch vom Verhältnis zwischen Familie und Gesellschaft, hier als »Nische« bezeichnet, bestimmt ist. Familien erarbeiten und erhalten ihre Identität, indem sie ihre Beziehungen zu gesellschaftlichen Institutionen auf den Dimensionen »Verbundenheit« und »Abtrennung« konstruieren und balancieren – indem sie eine Nische bauen. Analog dazu konstruieren Kinder die Beziehung zu ihren Eltern auf denselben Dimensionen. Individuen und Familien regulieren auf diese Art ihr Überleben in unterschiedlichen, sich wandelnden Kontexten. Entscheidend für den Erfolg dieser Anpassung ist die flexible Gestaltung der Eltern-Kind-Beziehungen. Angesichts des globalen Wandels bekommen die Individuationsstrategien aus der totalitären DDR eine unerwartete Modernität. Soziale Phänomene wie das Erstarken des Rechtspopulismus oder Nationalismus lassen sich ebenfalls als Reaktionen auf übermächtigen sozialen Wandel verstehen. Sie können Versuche sein, soziale Beziehungen neu zu justieren: durch Abtrennungen von globalen Prozessen und durch Konstruktion von vermeintlich »gestaltbaren Verbundenheiten« wie der Nation und dem Volk.