Fürsorgerische Zwangsmassnahmen
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Die Studie untersucht die Geschichte fürsorgerischer Zwangsmassnahmen im schweizerischen Kanton Graubünden. Sie zeigt, wie mit der Zwangsarbeitsanstalt Fürstenau 1840 eine der ersten Arbeitsanstalten in der Schweiz eröffnet wurde. Noch im 20. Jahrhundert betrachteten die Behörden «liederliche», «arbeitsscheue» oder «trunksüchtige» Personen als Bürgerinnen und Bürger zweiter Klasse, die es zu disziplinieren galt. Strukturelle Ursachen von Armut und Randständigkeit fanden kaum Beachtung. Die Politik und gesellschaftliche Reformkräfte erweiterten zu Beginn des 20. Jahrhunderts die rechtlichen Voraussetzungen, unter denen Betroffene anstaltsversorgt, fremdplatziert oder entmündigt werden konnten. Die Studie arbeitet heraus, wie die Bündner Vormundschaftsbehör-den von diesem vergrösserten Aufgabenfeld vielfach überfordert waren. Für die Betroffenen hatte dies eine erhebliche Rechtsunsicherheit zur Folge und konnte in eine eigentliche Rechtlosigkeit münden. Wie andere Kantone der Schweiz begann Graubünden Kinderheime und Pflegeplätze erst spät zu beaufsichtigen. Dies brachte ab Mitte der 1950er-Jahre zunehmend Missbrauchsfälle ans Licht und führte zur Schliessung einer Reihe von Kinderheimen. Die Dunkelziffer blieb allerdings hoch. Eine kritische Reflexion fürsorgerischer Zwangs-massnahmen setzte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein. Das neue Kindes- und Erwachsenenschutzrecht, das seit 2013 in Kraft ist, berücksichtigt lange gestellte Forderungen nach professionellem Personal und einen verstärkten Rechtsschutz der Betroffenen. Nichtsdestotrotz bleiben die Massnahmen des Kindes- und Erwachsenenschutzrechts in einem Spannungsfeld von Schutz und Zwang angesiedelt