Freiheit und Lust
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Was ein freier Wille ist, gilt als nur schwer oder gar nicht erklärbar, jedenfalls wenn man sich auf der Höhe einer modernen Reflexion bewegen will: Viele sind überzeugt, dass alles kausal determiniert ist, also muss es auch der Wille sein. Glaubt man an eine Unterbrechung der Kausalordnung durch den Zufall, reicht das nicht als eine Begründung für die Willensfreiheit. Kaum verstehbar ist aber auch, wie (Natur-)Notwendigkeit und (subjektive)Freiheit nebeneinander bestehen können sollen. Gemeinsam ist aber den vielen sich gegenseitig bekämpfenden Theorien, dass der Wille als ein reines Entscheidungs-Vermögen verstanden wird. Frei kann er ja nur sein, wenn er sich auch gegen das erkannte Richtige, also gegen die Vernunft entscheidet. Bekanntlich hat aber auch eine Entscheidung gegen die Vernunft Gründe. Selbst wer nur noch ein Glas Wein mehr trinken will, als es vernünftig ist, trifft keine reine Entscheidung, sondern greift nur zum Glas, weil er die Qualitäten des Weins kennt und sich die Lust an seinem Genuss in der Zukunft vorstellt. Es war der sorgfältige Aristoteles, der deshalb nachgewiesen hat, dass jeder Wille ein Produkt aus mehreren geistigen Akten ist: man muss etwas erkennen, das Angenehme und Gute an diesem Erkannten mit Lust (das Gegenteil mit Unlust) empfinden und beides durch die Vorstellung in die Zukunft verlängern. Dann entsteht ein Wille (für oder gegen etwas). Dieser Wille kann einer Wahrnehmungserkenntnis entspringen, oder einer Meinung, meistens über Lüste und Unlüste, die mit Anerkennungsphänomenen verbunden sind, er kann auch aus einer tatsächlich vernünftigen Erkenntnis kommen. Sich gegen die Vernunft entscheiden, heißt deshalb nicht, etwas irrational wollen, sondern einen unvernünftigen, von bloßen Meinungen oder Anschauungen abhängigen Willen haben. Diese Art der Analyse führt dazu, dass nicht jeder Wille frei ist, sondern nur der, der das will, was einem wirklich gut tut. In diesem Sinn gibt es eine zur Freiheit führende Erziehung des Willens, die – wie sittliches Verhalten im allgemeinen – auf einer Kultur des Gefühls beruht.