Genie und Wahnsinn
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Auch bei ihrem nunmehr 20. Klassik-Seminar ging die Hamburger Goethegesellschaft gemeinsam mit dem Landesinstitut für Lehrerbildung einer speziellen literarischen Fragestellung nach. Diesmal befasste sie sich mit dem Zusammenhang von außerordentlichen Begabungen und irrationalen Kräften im Menschen. Vier Referenten untersuchten die Frage, inwieweit sich ein Genie, ein Künstler, ein eigensinniger Einzelgänger in die bürgerliche soziale Ordnung einfügen kann oder ob er aus eben dieser Ordnung herausfallen muss. Prof. Dr. Thomas Wortmann aus Mannheim beschäftigt sich mit E. T. A. Hoffmanns Novelle „Das Fräulein von Scuderie“ und damit, wie der Autor kriminalistische Fallgeschichte und Künstlernovelle miteinander verschränkt, um die Problematik des nicht gesellschaftsfähigen Außenseiters in einer aus den Fugen geratenen Welt durchzuspielen: der Künstler als pathologischer Fall. Dr. Malte Stein aus Hamburg nutzt Theodor Storms Novelle „Der Schimmelreiter“, um an der Figur des hochbegabten Außenseiters Hauke Haien, der zwanghaft und obsessiv Unmögliches wagt und mit Traditionen bricht, vorzuführen, wie einer alle sozialen Bindungen preisgibt und an seiner Genialität scheitert. Auch Dr. Tim Lörke (Berlin) zeigt in seinem Vortrag, der sich mit dem Komponisten Adrian Leverkühn aus Thomas Manns Roman „Doktor Faustus“ beschäftigt, den Zusammenhang zwischen Genie und Wahnsinn. Er leitet her, dass dieser Roman auch als Buch der Trauer und der Klage auf der Schnittstelle von Kultur und Barbarei gelesen werden kann. Thomas Müller schließlich, Leiter des Sächsischen Psychiatriemuseums, gibt einen Überblick über einflussreiche Theorien zum tatsächlichen oder konstruierten Zusammenhang von Genie und Wahnsinn.