Alles, was leiden kann
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Wenn Freude und Leid nicht kontingent als Teilaspekte des Erscheinens auftreten, sondern an dessen ursprünglicher Phänomenalisierung im Sinne transzendentaler Lebendigkeit selbst teilhaben, dann ist damit die berechtigte Möglichkeit gegeben, sie in allen Manifestationsweisen unseres leiblich bestimmten Lebens zu befragen. Methodisch ergibt sich daraus das Durchschreiten von gegenseitig sich ergänzenden Disziplinen, die von außen gesehen weit auseinander zu liegen scheinen - nämlich Naturphilosophie, Ästhetik, Ökonomie, Psychoanalyse und postmoderne Dekonstruktion. Wenn wir sie allerdings radikalphänomenologisch unter der Leitfrage eines Pathos oder der Passibilität zusammenführen, die sich qua Affekt oder Leiblichkeit in jedem Phänomen offenbaren, dann gehören Freude/Leid zu einer immanenten Ursprungseinheit, welcher die folgenden Kapitel in ihrer scheinbaren thematischen Heterogenität gewidmet sind. Auf den Leser wartet mithin ein Sich-Durchdringen-Lassen von rein phänomenologischen Erscheinensbedingungen, welchen die ständige Selbstgegebenheit von Freude/Leid in all unserem Empfinden selbst entspricht. Dass daraus eine neue subjektive wie kulturelle Aufmerksamkeit für alle singulär-gemeinschaftlichen Vollzüge erwachsen kann, ist eine begründete Hoffnung, aber keine geschichtliche Garantie für eine andere Zukunft, die dennoch als Herausforderung für alle Individuen heute bereits mit ihrer kaum zu leugnenden Aktualität ansteht. Der Titel „Alles, was leiden kann“ besitzt eine dreifache Bedeutung. Er bezeichnet zunächst die grundlegende Tatsache, dass alles, was als „Natur“ zu empfinden vermag, dem Pathos unterworfen ist. Daraus ergibt sich ontologisch wie existentiell, dass sich solch originäres Leidenkönnen in allen Vollzügen unseres Lebens - zusammen mit der Freude - einstellen kann. Mit anderen Worten in Arbeit, Eros und Psyche, welche als „Elementarerprobungen“ unseres Lebens die beiden Hauptteile dieser Untersuchung bilden. Aber die radikalphänomenologische Sichtweise kann drittens darüber hinaus herausarbeiten, dass das absolute Leben selbst in seinem originären Selbsterscheinen ein „Sich-Erleiden“ beinhaltet, welches mit seinem „Sich-Erfreuen“ im Sinne von immanent konstitutivem Sich-Geben/Sich-Empfangen eine abgründige Einheit bildet. Gegenüber den tiefenpsychologischen Analysen im II. Teil blieb daher zu verdeutlichen, dass selbst in „Verdrängung“ und „Kastration“ dieses originäre „Leid“ des Lebens als „Passibilität“ nicht vernachlässigt werden kann, weil es die Potenzialität jeglicher inneren Verwandlungsmacht als solcher bildet.