Auf dem Weg zum Sozialstaat mit Hilfe eines Netzwerkes: die Pensionsversicherung der Angestellten in Österreich und Deutschland am Anfang des 20. Jahrhunderts
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Das „Gesetz vom 16. Dezember 1906 betreffend die Pensionsversicherung der in privaten Diensten und einiger in öffentlichen Diensten Angestellter“ stellt einen der großen Marksteine in der Geschichte der österreichischen Sozialpolitik dar. Eine staatliche Arbeiterrentenversicherung war in der Habsburgermonarchie – im Unterschied zum Deutschen Reich – noch nicht geschaffen worden. Die Angestelltenpensionsversicherung erfasste damals also nur einen kleinen Teil aller unselbständig Beschäftigten, knapp mehr als 10 Prozent. Die Auswirkungen der Angestellten-Pensionsversicherung auf die Sozialpolitik des 20. Jahrhunderts können gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Wesentliche Prinzipien der Altersversorgung der Staatsbeamten wurden mit diesem Gesetz erstmals auf Beschäftigte der Privatwirtschaft ausgedehnt. An erster Stelle steht das Prinzip der Einkommenssicherung: Der in der Erwerbsphase erreichte Lebensstandard sollte im Ruhestand beibehalten werden können. Während die Altersrente für Arbeiter, wie sie 1889 in Deutschland eingeführt worden war, bis in die 1950er-Jahre nur einen kleinen Zuschuss zum Lebensunterhalt leistete, erreichte die österreichische Angestelltenpension von 1906 nach 40 Dienstjahren bis zu 90 Prozent des Gehalts. Von den 1950er-Jahren an wurde dann das Prinzip der Lebensstandardsicherung im Alter zum allgemeinen Ziel staatlicher Sozialpolitik. Die Angestellten-Pensionsversicherung war damit Vorreiter einer Entwicklung, die alle ArbeitnehmerInnen einschloss. Eine zentrale Rolle spielten die Netzwerke der Angestellten um Anton Blechschmidt (1841-1916), Obmann der Wiener Lokalgruppe der „Privatbeamten“ im „Ersten Allgemeinen Beamtenverein“. Die umfangreiche Korrespondenz und Dokumentation im Nachlass von Blechschmidt bildet eine wichtige Quellengrundlage des Buches.