WÄREN SIE FRÜHER GESTORBEN ... Teil I
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Geschichtsschreibung versus Kontrafaktische Geschichte von Ellen Spaniel „Geschichte ist die Lüge, auf die man sich geeinigt hat“. So sah es der ebenso geniale wie ironische Vordenker der Aufklärung, Voltaire (1694-1778). Betrachtet man die historischen Quellen, aus denen die Geschichtswissenschaft seit Jahrhunderten schöpft, so basieren sie - je weiter die Ereignisse zurückliegen - auf sehr wenigen erhaltenen Originalen, gelegentlich wurde erst Jahrhunderte später von längst zurückliegenden Ereignissen berichtet. So entstand im Laufe der Zeit ein historisches tradiertes Geschichtsmodell, das freilich immer wieder durch ideologische Interpretationen modifiziert wurde, denken wir nur an die Geschichtsklitterungen durch das Dritte Reich oder die untergegangene DDR. Aber wer fragt sich eigentlich, was die Geschichtsschreiber der vergangenen Jahrtausende antrieb? In wessen Interesse und Auftrag waren sie tätig, welches Geschichtsbild sollte der Nachwelt durch sie übermittelt werden und wie unabhängig waren sie? Schriften und Chroniken wurden in den Klöstern und in den Schreibstuben der Fürstenhöfe aufgeklärter Herrscher verfasst und aufbewahrt, so dass sie überhaupt an die Nachwelt kommen konnten. Und natürlich wurde aufgeschrieben, was dem Nachruhm der Auftraggeber diente. Kontrafaktische Geschichtsschreibung ist eine sehr anspruchsvolle Aufgabe für einen Schriftsteller und Historiker, die aber meiner Meinung nach wichtige Erkenntnisse liefern kann. Der Autor muss sowohl mit den Überlieferungen vertraut sein als auch die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse aus der Archäologie und der historischen Forschung kennen, um sich dem Thema nähern zu können. Die Frage nach den Möglichkeiten, die sich zu jener Zeit geboten hätten, um die Geschehnisse in eine andere Richtung zu lenken, kann uns sicher lehren, dass die Gegenwart, die wir heute und für die Zukunft gestalten müssen, auch nicht alternativlos ist.