Redlich, aber falsch
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Ist der Zeuge, der sich redlich um Wahrheit bemüht, ein Garant für richtige Zeugenaussagen und damit für gerechte Urteile? Betrachtet man die Gerichtspraxis, so wird deutlich, daß der Zeugenbeweis nach wie vor von größter Bedeutung für den Ausgang von Strafverfahren ist und daß die Prozeßbeteiligten den redlichen Zeugen für ein besonders verläßliches Beweismittel halten, dessen Aussagen man getrost folgen könne. Dieser Praxis stehen jedoch die Erkenntnisse der Aussagepsychologie entgegen, wonach es auf allen Ebenen des Zeugenbeweises erhebliche Fehlerquellen gibt: Angefangen bei der Sinneswahrnehmung über die Erinnerung bis hin zur Wiedergabe in Vernehmungen stellt sich der Zeuge bei näherer erfahrungswissenschaftlicher Betrachtung als ein unzuverlässiges Erkenntnismittel dar. Die richtige Zeugenaussage ist damit eher die Ausnahme als die Regel. Die Problematik des redlichen Zeugen stand im Zentrum der von den Deutschen Strafverteidigern e. V. und dem Richterbund 1993 in Berlin ausgerichteten 9. Alsberg-Tagung. Dieser Sammelband verdeutlicht die typischen Fehlerquellen aus aussagepsychologischer Sicht und zeigt auf, wie Verteidiger und Richter falsche Aussagen erkennen und vermeiden können.