Die Konzeption des Schönen
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Der Gestus, mit dem Kant, Moritz, Hölderlin und Schiller den Gegenstand ihrer ästhetischen Theorie konstituieren, ist, bei aller Unterschiedlichkeit der Theorie selbst, der geiche: Das Schöne wird von der Wirklichkeit angehoben und autonom gesetzt. Auf diese Weise gewinnt die Ästhetik, als Lehre vom Schönen, einen Standpunkt, von dem aus der Wirklichkeit die Verlustrechnung aufgemacht werden kann. Doch gerade weil das Schöne mit utopischem Charakter auftritt und die Mißstände der Realität nicht bloß widerspiegelt, sondern ihr Sinndefizit kompensiert, verrät sie die Kraft zur realen Veränderung an den Genuß. Wird das Schöne allein als etwas verstanden, das im Genießen sich selbst genügt, würde es die zerrissene Wirklichkeit nicht heil machen können, da es eben die Entfremdung reproduzierte, die zu versöhnen es angetreten war. Der Versuch aber, diesen Vorwurf zu entkräften und das Schöne als eine Kraft zu begreifen, die in die Lebensumstände eingreift und einen moralischen Wandel einleiten könnte, höbe ihre Unabhängigkeit auf, gefährdete ihre Autonomie. Um diesen Problemen zu entgehen, bindet ästhetische Theorie ihren Gegenstand an ein Sprachkonzept. Erst der ästhetische Diskurs bewahrt die Ästhetik vor Aporien, weil nur hier die Schönheit – als autonome Kraft – ihr kritisch-utopisches Potential entfalten kann.