Der versehrte Körper
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Irmela Marei Krüger-Fürhoff stellt das bedrohliche Andere und die irritierende Grundlage des klassizistischen Schönheitsideals vor. Wer den Klassizismus vor allem mit Schlagworten wie 'Harmonie' und ' schöne Ganzheit' verbindet, der übersieht, daß das Schönheitsideal dieser Epoche vom Phantasma der Verletzung durchdrungen ist. Irmela Marei Krüger-Fürhoff revidiert in ihrer Studie das klassizistische Schönheitsideal, indem sie nachweist, daß der versehrte Körper zugleich als ausgeschlossenes und konstitutives Moment von Literatur und Ästhetik um 1800 verstanden werden muß. Mit dem Begriff der Versehrung greift sie auf ein historisches Wortfeld zurück, das im späten 18. Jahrhundert das Spektrum von der leichten Hautritzung bis zur tödlichen Verwundung umfaßt, aber auch die Zerstörung sexueller Integrität bezeichnet. Im Mittelpunkt der Studie steht die Relektüre kanonisierter Texte, in denen versehrte Körper zur Sprache kommen - von Winckelmann, Lessing, Herder und Goethe bis zu Moritz, Kleist, Günderrode und Arnim. Um die Verbindung zwischen einer Poetik der Verwundung und einer Geschichte gewaltsam geöffneter Körper zu zeigen, werden Literatur und Kunsttheorie mit anderen Diskursen des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts konfrontiert: mit Schlachtberichten der Befreiungskriege, gerichtsmedizinischen Untersuchungen und populären Reiseführern sowie mit antiken Skulpturen, zeitgenössischen Radierungen, Wachstableaus und anatomischen Modellen. Auf diese Weise werden literaturwissenschaftliche und kulturwissenschaftliche Perspektiven zu einem luziden Beitrag zu aktuellen Debatten in Germanistik, Ästhetiktheorie, Körpergeschichte und Gender Studies verknüpft. Es zeigt sich, daß der ausgegrenzte versehrte Körper zur zentralen Herausforderung, ja zum übersehenen oder verdrängten Ursprung der klassizistischen Ganzheitsästhetik wird.