Ratsherren und andere Delinquenten
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Nicht die klassischen Tötungs- und Eigentumsdelikte sondern die vordergründig betrachtet harmlosen, „kleinen“ Normverstöße im spätmittelalterlichen Nürnberg sind Gegenstand der vorliegenden Arbeit, die das reichsstädtische Rechtssystem im Spannungsfeld von Strafandrohung und Sanktionspraxis nachzeichnet. Als Spiegel von alltäglichen AuseinanderSetzungen geben die leichteren Formen gesellschaftlicher Devianz den Blick sowohl auf die Ordnungspolitik des Rates als auch auf außergerichtliche Formen der Konfliktregelung frei. Neben unterschiedlichen Arten von Inhaftierungen als Strafen sowie Geldbußen prägten Strafnachlässe auf dem Gnadenweg und gütliche Regelungen zwischen den Kontrahenten den Rechtsalltag. Die verschiedenen Formen der Schlichtung, Strafverschonung und -verkürzung zeigen, dass die einschlägigen Normen keineswegs ungebrochen die Ordnungsvorstellungen des Rates widerspiegeln. Die unterschiedlichen Delikte werden jeweils aus ihrem Entstehungszusammenhang, also der Interaktion der streitenden Parteien, der Verhandlung vor Gericht und den Folgen des Gerichtsentscheids für die Betroffenen analysiert. Unter den Delinquenten waren nicht zuletzt auch Mitglieder der städtischen Führungsschicht, die zum Teil für sich Handlungsfreiheit von den Satzungsnormen zu reklamieren versuchten und mit Wort und Tat straffällig wurden. Dabei wird deutlich, dass die städtische Strafpraxis die Spitzen der urbanen Gesellschaft keineswegs schonte. Vielmehr hatten die Nürnberger Patrizier ganz im Gegenteil gerade wegen ihrer sozialen Hervorgehobenheit auch mit empfindlichen Bußen zu rechnen. Für die Funktionslogik der reichsstädtischen Strafverfolgungspraxis könnte man geradezu von einem Prinzip der Rechenhaftigkeit sprechen, nach dem in Nürnberg die soziale Ordnung und die Bußen- und Strafenpraxis aufeinander bezogen wurden: Jeder sollte seiner sozialen Befindlichkeit gemäß bestraft werden.