Profane Mystik
Autoři
Více o knize
Als sich um 1900 die Moderne im Wechselspiel mit einer fundamentalen Krisenerfahrung etablierte, war die Mystik doppelt begünstigt. Ihre Subversivität gegenüber der Orthodoxie des Glaubens und die unvergleichliche Intensität des religiösen Erlebens versprachen eine zweifache Abhilfe von den Malaisen der Zeit. Gerade aus dem Junktim von Moderne und Krise bezog also die Renaissance der Mystik ihre Suggestivität. Die Begegnung mit dem Anderen, Fremden und oftmals Unbenennbaren gewinnt jetzt die Dignität eines mystischen Erlebnisses. Angesichts der Erfahrung des Verlusts metaphysischer Zuversicht und der Befürchtung gravierender Zivilisationsschäden formiert sich die philosophische und ästhetische Avantgarde unter Rückgriff auf eher undogmatische Tendenzen des religiösen Erlebens: Mystik, Okkultismus, Ekstase, Hermetik, Kabbala usw. Nicht die Religion der Amtskirchen, sondern abweichende Erfahrungsinhalte und Ausdrucksformen liefern nun die Stichworte für ganz unterschiedliche literarische, philosophische und religiöse Positionierungen. Die künstlerische Repräsentation des 20. Jahrhunderts steht, so gesehen, auch im Zeichen eines ästhetischen Rückgewinns religiöser Erfahrungen. Die Beiträge des Sammelbandes suchen die Spuren auf, die eine immer wieder abgebrochene, doch offensichtlich unverwüstliche, immer wieder verfemte und verheimlichte, im 20. Jahrhundert neu aufleuchtende Tradition ekstatischen und andächtigen Sprechens in Religion, Philosophie und Literatur hinterlassen hat.