Die Rechtsvergleichung bei Gustav Radbruch und seine Lehre vom überpositiven Recht
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Gustav Radbruch, der wohl größte deutsche Rechtsphilosoph der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, hat sich bahnbrechend mit den zentralen Fragen der Rechtsvergleichung beschäftigt, vor allem auch mit Blick auf das anglo-amerikanische Recht. Die irrige Meinung, dass Radbruch nicht sehr viel für die Rechtsvergleichung geleistet habe, mag dadurch verständlich sein, dass er in eine Zeit hinein geboren wurde, in welcher die Rechtsphilosophie durch nationale Rechtsvergleichung ersetzt wurde, mit dem Ziele, die Rechtsphilosophie in einer allgemeinen Rechtslehre aufgehen zu lassen. Mit Emil Lask verband ihn das Bekenntnis zum Neukantianismus, der das Recht als soziale Tatsache vom Recht als Norm unterschied. Auch für Radbruch war das Recht „realer Kulturfaktor“ und „sozialer Lebensvorgang“. Er wandte sich mehr einer Modifikation des Sein-Sollen-Schemas zu, sodass das Sein eine „soziale“ Komponente erhalten sollte. Heinrich Scholler beschäftigt sich aber auch mit der wohl letzten großen Idee Radbruchs, die aus dem Konflikt mit dem Nationalsozialismus und dem Krieg entstanden ist: Der Lehre vom gesetzlichen Unrecht und vom überpositiven Recht. Sicher war hierfür auch seine rechtsvergleichende Beschäftigung mit der Idee der Equity im englischen Recht maßgebend. Bei Anwendung seiner kultur-, sozial- und geistesgeschichtlichen Methode musste es bei aller Rechtsgeschichte oder Rechtsvergleichung darum gehen, neue Fragestellungen zum Ausgangspunkt zu machen, um auch zu neuen, möglichst endgültigen Ergebnissen zu kommen. Die Rechtsvergleichung ist daher für Radbruch ein Mitwirken „an dem erhabenen Problem der Selbsterkenntnis der Menschheit“. Dieses sich Erfüllen des Rechts als ein „An das Ende Kommen“ erhält die Züge eines Aufhebens und Vollendens. Denn wenn auch Erfüllung im sozialen Recht enthalten ist, ist ja gerade deshalb das soziale Recht bei Radbruch immer zugleich identisch mit dem Menschlichen, der Würde des Menschen, dem Humanum.