Passion und Transformation
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Am 4. September 2014 jährt sich zum fünfzigsten Mal die Uraufführung von Pier Paolo Pasolinis Il Vangelo secondo Matteo (Das Erste Evangelium – Matthäus) bei den 25. Filmfestspielen von Venedig. Wie sich aus dem gewachsenen zeitlichen Abstand und in der Übersicht über sein Gesamtwerk heute noch deutlicher als zu seinen Lebzeiten erkennen lässt, war seine Evangelienbearbeitung nicht nur derjenige Film, auf den er seine meiste Energie verwandt und den er mit der größten inneren Anteilnahme, ja Leidenschaft gedreht hatte, sondern Il Vangelo wurde und blieb auch in filmästhetischer Perspektive sein Meisterwerk. Dass die Matthäusverfilmung darüber hinaus auch inhaltlich, thematisch und weltanschaulich-religiös die Achse von Pasolinis gesamten Oeuvre ist, diese These soll in dieser Untersuchung exemplarisch im konzentrierten Blick auf sein nachfolgendes sog. „mythisches Quartetts“ Edipo Re, Teorema, Porcile und Medea verifiziert werden. Die Zentralität der Christusfigur und des Evangeliums ist dabei nicht nur für das Werk Pasolinis von großer Reichweite, sondern umgekehrt auch für das Evangelium selbst: Denn darin wird beispielhaft manifest, dass das Evangelium als Movens intellektueller und künstlerischer Weltdeutung keineswegs ausgelaugt und verbraucht ist, geschweige denn abgewirtschaftet hat, sondern weiterhin in herausragender Weise zur Orientierung und Sinnstiftung qualifiziert bleibt – auch ein halbes Jahrhundert nach der Uraufführung des Matthäusfilms, und bald vierzig Jahre nach dem Tod seines Regisseurs in der Nacht auf den 2. November 1975.