Willi Wanderer erzählt
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„Geht’s Ihnen auch so? Die Euros kullern schneller aus dem Portmonee als einem lieb ist. Dabei bin ich nicht etwa verschwenderischer geworden - im Gegenteil. Ich gucke genauer hin, schon weil ich wissen will, ob die versprochenen Segnungen auch wirklich eintreffen. Schön, in Italien kann ich mit der gleichen Währung zahlen, aber wer verreist denn zwölf Monate im Jahr? Außerdem, was nützt mir der italienische Euro, wenn, sagen wir die Dose Bier oder das Glas Marmelade dorten mehr kosten als in der Heimat seiner deutschen Kollegen? Der „Markt“ wird’s schon richten, hieß es vergangenes Jahr. Die „Marktbeherrscher“ müssen Schwierigkeiten mit dem Wechselkurs haben. 1: 1 scheint mir gang und gäbe zu sein. König Kunde soll dann eben das Geschäft wechseln, erinnere ich mich gelesen zu haben. Aber was, wenn dieser Ladenbesitzer sich an seinem Nachbarn ein Beispiel genommen hat?“ So wie dieser Auszug aus den „Zeilen zur Zeit“ vom 6. Februar 2002 betrat Willi Wanderer zwei Jahrzehnte jede Woche die Bühne des Magdeburger Generalanzeigers. Kritisch und mit einem Augenzwinkern fasste er alle Themen an, die ihm auf der Seele brannten, ob es die große Politik und ihre Auswirkungen für Otto Normalverbraucher, die schönen und Kehrseiten unserer Heimatstadt oder auch ehrliche Auseinandersetzungen mit dem Tagesgeschehen aus der Sicht eines Ossis sind. An die 700 Kolummnen schrieb Dr. Manfred Koch alias Willi Wanderer seit 1991 - erst für die Volksstimme dann für den Generalanzeiger. Auch wenn es in den ersten Jahren zu den großen Geheimnissen unserer Stadt gehörte, wer sich denn hinter Willi Wanderer verbirgt, nach einem Schweizer Pressepreis für einen seiner Artikel war es heraus. Selbst schrieb er in seinem nun im Magdeburger Verlag Delta-D verlegten „Best off“-Buch: „Willi, der kleine, behende ausschreitende Wandersmann ist ein echtes Kind der Wendezeit. Willi ist nicht nur mein Sprachrohr, Willi bin ich, mit Haut und Haar. Auch wenn mir die Meinige hin und wieder Übertreibungen ankreidet, es sind meine Überzeugungen und Gefühle, die ich Woche für Woche unter die Leser bringe. Wie hätte ich denn weiter leben sollen, der ich in dem anderen deutschen Staate geworden bin, was ich wurde. Nach dem Kriege habe ich als Zimmermann am Wiederaufbau der Stadt, besonders ihrer Industrie mitgewirkt. Wie hätte ich emotionslos den Niedergang weltbedeutender Betriebe begleiten können? Neue Leute machten sich breit und postulierten Wahrheiten, über die man nur den Kopf schütteln konnte. Selbstbesinnung war angesagt und kritische Bilanz.“ Dr. Manfred Koch war gebürtiger Breslauer, wurde mit 16 Jahren noch zum Kriegsdienst einberufen und entging mit Glück dem Schicksal der Odermetropole. Nach der Gefangenschaft kam er nach Magdeburg, wurde Bauhilfsarbeiter, dann Zimmerer. Schon 1949 konnten Magdeburger erste Artikel von ihm in der Volksstimme lesen. Nach einem kulturwissenschaftlichen Studium an der Universität Leipzig promovierte Manfred Koch an der Humboldt Universität Berlin.