Und die Erde wurde schön und voll
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Als Medium des Schweigens – Meer der Ruhe – Traumlieder beschreiben engagierte Vertreter der deutschsprachigen Haiku-Dichtung und -Forschung wie Rilke, Goll, Holz und Doßler die Wirkmöglichkeit der beiden Varianten der vor gut 500 Jahren in Japan entwickelten Dichtform, die Hedwig Schweizer in dieser Edition vorstellt: Kurze dreizeilige Gedichte mit der ursprünglich strengen Silbenfolge 5 – 7 – 5: „Haiku“ und „Senryu“, spontane Formulierungen von Außenwelt-Beobachtungen und -Erlebnissen mit jahreszeitlichem oder klimatischem Bezug bzw. eher auf gedanklich-abstraktem Niveau ablaufende momentane Eindrücke. Die heute weltweit etablierte Gedichtform ist seit den 1920er Jahren auch im deutschsprachigen Raum anerkannt. Die Autorin verspricht, in Erweiterung traditioneller Thematik, andere Facetten der Realität. Bereits in der Überschrift deutet sie sowohl einen optimistischen Zugang als auch eine neue Quelle der gedanklichen Impressionen an: christlichen Inhalt. Gleichzeitig übersteigert sie die ursprüngliche Enge des Formalen mit der Möglichkeit gedanklicher „Tabubrüche“, wie sie einleitend darlegt: Sie verschweigt nicht ihre religiöse Orientierung, wenn sie die Haiku auch als „Zweckform“ für „Verkündigungen“ beansprucht, um ein offenes, aber bestimmtes Christentum zu vertreten, das die Fragen der Neuzeit zur Kenntnis genommen hat und nicht verdrängt. Sie ermuntert ferner den Leser, inhaltliche Deutungsbezüge ohne Autoren-Vorgaben für sich selber zu entdecken. Ihre Beheimatung in christlichen Gedankengängen verdeutlicht sie in der Vielzahl der religiösen Impulse ihrer Texte, aus Bibel, Predigten, Gesang und Gebetbüchern. Bewusst vermeidet sie dabei eine möglicherweise eingefahrene speziell christliche Terminologie, nicht ohne Scheu vor dem Risiko, sich damit Vorwürfen fundamentalistischer Mitchristen auszusetzen. – Ein mutiges Buch, das viele überraschende, unerwartete Zugänge und Denkanstöße bis hin zu Beispielen und Ansätzen von Problemlösungen bietet. Heinz Piesik