Formatwechsel
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Formatwechsel »Süßer die Glocken nie klingen, als zu der Weihnachtszeit …« Der leichte Wind weht etwas kratzige Fetzen dieses Weihnachtsliedes, das untrennbar mit meiner Kindheit verbunden ist, zu mir herüber. Ist Weihnachten schon vorbei? Nein, wir haben gerade Herbst. Wunderbar gemischte, warme Farben hängen in den Bäumen, liegen auf den Straßen, bedecken den Waldboden. Die Hitze des Sommers ist vorbei. Alle Lebewesen ahnen den Winter, der seine Boten schickt. Die Zugvögel sammeln sich, um ihre unvorstellbar weite, qualvolle Reise anzutreten. Warum tun sie das? Sie fliegen weg und kommen wieder zurück. Zuverlässig. Jedes Jahr. Mit ihren perfekten Informations- und Navigationssystemen, die sie in frühester Kindheit kennenlernen und für ihr ganzes Leben in jederzeit abrufbarer Erinnerung behalten. Die Pflanzen kommen zur Ruhe. Sie kehren für eine kleine Zeit zu ihren Wurzeln zurück, die sie in ihrem wärmenden Schutz aufnehmen. Winterschlaf. Bevor ich orten kann, wo die kratzigen Klänge herkommen, gibt es einen abrupten Abbruch. – Und meine Kindheit ist ganz nah, und sie scheint mir unendlich klein, in endloser Entfernung und unwiederbringlich. Ich tauche ein in meine Erinnerungen. Durch hohen Schnee wanke ich träumend, baue einen Schneemann, laufe auf dem Eis mit meinen Schlittschuhen – und friere mich oft fürchterlich durch den doch so geliebten Winter. Es wird dauern, bis ich den Frühling endlich herbeisehne. Meine Gedanken wandern zu der aufregenden, knisternden Spannung der alles beherrschenden Vorfreude auf den Heiligen Abend, auf die Silvesternacht, in der uns mit präziser Zuverlässigkeit die Bläser vom Turm unserer Kirche in den Jahreswechsel begleiteten. Ich träume mich in duftende Wiesen und Wälder, an unseren Fluß, in dem ich mich – trotz aller Bemühungen meiner Geschwister – lange Zeit nicht auf der Wasseroberfläche halten konnte, an die Schule, die oft so lästig war, an meine strenge und liebevolle Mutter. Ich könnte die Aufzählung endlos weiterführen. Das »Süßer, die Glocken nie klingen …« – mein Kindheitsmärchen. Nichts bleibt so, wie es ist, nichts wird so, wie es war. Annerose Scheel Oktober 2016