Verbindlichkeit unter den Bedingungen der Pluralität
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Die Frage nach der Verbindlichkeit ergibt sich nicht zuletzt aus den immer dringlicher werdenden Fragestellungen, die sich von dem sich ausbreitenden gesellschaftlichen Pluralismus her stellen, bei dem die religiöse Situation nicht unberücksichtigt bleiben kann. In einer Zeit, in der die Unverbindlichkeit zunimmt, sind die Religionen zu fragen, wie sie ihre bleibenden gesellschaftlichen Verbindlichkeiten verstehen und begründen. Lange ist alles Fremde und Andere vom eigenen Standpunkt aus gesehen und beurteilt worden. Heute aber sind immer mehr Menschen bestrebt, das Andere in seinem Anderssein zu sehen und gelten zu lassen, so dass nicht mehr nur der eigene, sondern auch fremde Standpunkte berücksichtigt sein wollen. Wie aber lässt sich dann das Allumfassende und alles Übergreifende und zugleich beide Verpflichtende bestimmen? Gibt es das überhaupt noch? Der Rückzug auf einen je eigenen Standpunkt ist schon deshalb nicht möglich, weil Menschen unterschiedlicher Herkunft, Rasse, Religion und Nationalität miteinander leben wollen und daher keiner nur das tun kann, was ihm allein gefällt. Unbestritten ist jedoch, dass es schwieriger wird zu bestimmen, was verbindlich, zumal was universal verbindlich ist und wie es sich begründen lässt. In diesem Problemkreis möchte das Graduiertenkolleg der Universität Bonn „Interkulturelle religiöse bzw. religionsgeschichtliche Studien“ zur Klärung beitragen und setzt seine Arbeit an der Bestimmung religiöser Verbindlichkeit für eine breitere Öffentlichkeit in Gesellschaft und Wissenschaft fort. So stand das Symposium 1997, dessen Vorträge in diesem Band dokumentiert sind, unter der Überschrift „Verbindlichkeit unter den Bedingungen der Pluralität“. Auch wenn Religion sich nicht auf Ethik reduzieren lässt, darf die ethische Herausforderung nicht überspielt werden. Es geht heute um eine globale - welt- und menschheitsumfassende - Ethik, doch kann diese schon deshalb nicht einfachhin als vernunftbestimmte Ethik angesprochen werden, weil das Vernunftverständnis selbst inzwischen in den Pluralisierungsprozess einbezogen ist. Die Hypostasierung der Vernunft in der einen Vernunft - Gottesvernunft, Weltvernunft, Menschheitsvernunft, Menschenvernunft - wird inzwischen ihrerseits fragwürdig. Umso mehr bietet es sich an, auch in diesem Bereich Ethik und Religion(en) erneut ins Gespräch miteinander zu bringen und dann im interdisziplinären Gespräch Ansatzpunkte zur Lösung der heutigen Fragestellungen zu suchen.