Identität in der frühen Neuzeit
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In seiner Autobiographie, dem umfangreichsten deutschen Ego-Dokument des 16. Jahrhunderts, entwirft Bartholomäus Sastrow (1520–1603) ein breit angelegtes Bild seiner frühneuzeitlichen Identität als Patrizier und Bürgermeister der mächtigen Hansestadt Stralsund, als pommer’scher Diplomat und Zeitzeuge am „Geharnischten“ Augsburger Reichstag des Jahres 1547/48 und nicht zuletzt als Evangelischer im Zeitalter des Konfessionalismus. Die noch vorhandenen Teile der Autobiographie – die meisten der in ihr aufgenommenen Dokumente sind bereits wissenschaftlich ediert – behandeln die Jahre bis 1550, wobei deren erste Kapitel in die Zeit vor die Geburt des Autors im Jahre 1520 zurückgreifen. Diese Lebensbeschreibung setzt sich aus verschiedenen Textgattungen zusammen: Tagebuchaufzeichnungen, Reiseberichte und Briefe, v. a. auch eine Vielzahl an Dokumenten aus der Reichsgeschichte. Sie erweist sich damit als „Auto-Dokumentation“, die in Fülle und Umfang kaum Vergleichbares kennt. Bindeglied dieses textlichen Patchworks ist Sastrows eigene Person; seine Aufzeichnungen werden somit zu einer Quelle der Geschichte des „Ich“. Diese Autobiographie wurde bisher nur punktuell als Quelle für die Ereignisgeschichte des 16. Jahrhunderts ausgeschöpft; darüber hinaus jedoch erlaubt dieses Ego-Dokument wertvolle Einblicke in das gesellschaftliche Leben um die Mitte des 16. Jahrhunderts, ja es begegnen Eindrücke und Urteile eines Diplomaten und Stadtpolitikers jenseits der „offiziellen“ Politik. So gesehen, eröffnen sich mit dieser Quelle vielfältige Zugänge zur Welt der Reformationszeit.