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Ablaßüberlieferung und Ablaßpraxis im spätmittelalterlichen Bistum Hildesheim

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Die Beschäftigung mit der mittelalterlichen Ablasspraxis hat Konjunktur: Seit der Neuauflage des Standardwerks von Nikolaus Paulus zur „Geschichte des Ablasses im Mittelalter“ sind eine Vielzahl von Monografien und Aufsätzen zu unterschiedlichen Aspekten des mittelalterlichen Ablasswesens erschienen. In den meisten jedoch steht nicht die urkundenwissenschaftliche Aufarbeitung des Quellenmaterials im Zentrum der Aufmerksamkeit. Söhnke Thalmanns Arbeit dagegen setzt einen anderen Schwerpunkt: Sie wurzelt in der Beschäftigung mit den Originalausfertigungen von acht bischöflichen Ablaßurkunden des 13. Jahrhunderts, welche sich in der urkundenwissenschaftlichen Lehrsammlung des Diplomatischen Apparats der Georg-August-Universität Göttingen befinden. Er folgt damit der These, dass urkundenwissenschaftliche Befunde an äußeren Merkmalen der (überwiegend ungedruckten) Originalurkunden - hier des Liebfrauenstifts in Halberstadt - sowie an inneren Merkmalen verschiedener Ablaßbrieftexte und eine diplomatisch-kritische Analyse von Ablaßbriefen, in Verbindung freilich mit der inhaltlichen Interpretation der Urkundentexte, zu einer veränderten Sicht auf die mittelalterliche Ablaßpraxis führen. Die kritische Analyse des urkundlichen Quellenmaterials bedarf allerdings einer terminologischen und typologischen Basis. Um die Erarbeitung dieser Grundlage bemüht sich das erste Kapitel, daneben um die methodisch notwendige Frage nach Überlieferungsquantität und -qualität von Ablaßurkunden und verwandtem Schriftgut („Die Quellen und ihre Überlieferung“). Der übergeordneten Frage nach Gestalt, Entwicklung und Funktionsweise der mittelalterlichen Ablaßpraxis innerhalb eines fest umrissenen Untersuchungsraumes (Diözese), dessen Wahl wiederum der ablaßrechtlichen Frage nach dem Verhältnis von Norm und Praxis Rechnung trägt, gehen die folgenden fünf Kapitel nach. Der zweite Abschnitt („Der Ablaß“) unternimmt eine Beschreibung des Phänomens aus dezidiert historischer (nicht theologischer) Perspektive. Die daran anschließenden drei Kapitel („Ablaßgeber“, „Ablaßanbieter“, „Ablaßnehmer“) behandeln gewissermaßen die Determinanten des Ablasses - Prälaten als Ablaßgeber, kirchliche Institutionen als Ablaßanbieter und Gläubige als Ablaßnehmer. Dabei wird die mittelalterliche Ablaßpraxis als Interaktion dieser drei Determinanten begriffen. Die Frage nach dem Vermittlungsvorgang vom Ablaßgeber über den Ablaßanbieter an den Ablaßnehmer steht im Blickpunkt des sechsten und letzten Kapitels („Vermittlung des Ablasses - Erwerb, Verwahrung, Präsentation“). Die Untersuchung beschränkt sich auf den Zeitraum bis zum Ende des 14. Jahrhunderts. Dies ist aus arbeitsökonomischen Gründen sinnvoll, trägt aber auch dem Umstand Rechnung, dass nach der Mitte des 14. Jahrhunderts eine Stagnation des Ablaßwesens einsetzte. Sönke Thalmanns Arbeit wurde 2008 mit dem Preis für Niedersächsische Landesgeschichte ausgezeichnet. Zum Autor: Söhnke Thalmann (geb. 1974) studierte Geschichte, Historische Hilfswissenschaften und Lateinische Philologie des Mittelalters in Münster und Göttingen. Nach der Promotion im Jahr 2007 absolvierte er das Referendariat für den Höheren Archivdienst in Osnabrück und Marburg. Seit 2009 ist er als Referent im Niedersächsischen Landesarchiv-Staatsarchiv Oldenburg tätig.

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