Offenbarung, Ästhetik und Koranexegese
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In den letzten Jahren kann man ein gesteigertes Interesse an historisch orientierter literaturwissenschaftlicher Koranforschung verzeichnen. Die westlichen Debatten verlaufen dabei unabhängig von der hermeneutisch anders gelagerten islamischen Koranexegese, sodass eine gegenseitige Wahrnehmung und Würdigung fast gänzlich fehlt. Die im ersten Teil dieses Bandes vorgelegte historisch-literaturwissenschaftliche Gesamtanalyse von Sure 18 erforscht primär die Wirksamkeit des Textes auf seine ersten, noch nicht muslimischen Hörer in einer spätantiken Umwelt. Mit modifizierten Methodenschritten aus der historisch-kritischen Bibelexegese und unter Berücksichtigung rezeptionsästhetischer Überlegungen wird deutlich, wie die Sure eine komplexe literarische Einheit darstellt und wie sie einen lebendigen Kommunikationsprozess widerspiegelt. Der zweite Teil widmet sich der literarisch-ästhetischen Koranexegese Saiyid Qu? bs (1906–1966) und bietet erstmals eine vollständige deutsche Übersetzung seiner Kommentierung von Sure 18. Die Untersuchungen von Qu? bs Studien at-Ta? wir al-fanni fi-l-Qur? an und Mašahid al-qiyama fi l-Qur? an zeigen, wie stark sein Korankommentar Fi ? ilal al-Qur? an von einem philologischen Textzugang geprägt ist, der sein zeitgenössisches muslimisches Publikum politisch und religiös motivieren soll. Ein abschließender Vergleich lässt die Eigengesetzlichkeiten, Unterschiede und Gemeinsamkeiten beider Ansätze vor Augen treten. Diese Zusammenschau zweier ansonsten nicht in Beziehung gesetzter Zugänge bietet die Möglichkeit, Grenzen und Potenziale westlicher und islamischer Hermeneutiken gemeinsam zu bewerten und fruchtbar zu machen.