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Lieben oder Verwahrlosen?

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Die öffentliche Meinung scheint eindeutig: Verwahrlosung greift um sich! 10 bis 20 % der Kinder seien verwahrlost, melden die Medien. Ein alter Labeling-Begriff scheint wieder en vogue zu sein. Rudi Dutschke hatte noch eine Antwort auf den Vorwurf, er sei „verlaust“: Die Herrschenden versuchten so Minderheiten an den Rand der Gesellschaft zu drücken, meinte er. In der Psychotherapie gibt es den Begriff des Menschen „auf niedrigem Strukturniveau“. Er zeigt die Angst und die Hilflosigkeit, die Mitmenschen mit Problemen bei uns hervorrufen, wenn wir aufgefordert sind, Ihnen psychischen Beistand zu leisten. Psychotherapie für Verwahrloste gibt es nicht! Aber Wohlstandsverwahrloste schon. Die mittelstandsorientierte, bürgerlich verankerte Psychotherapie kann sich aus ethischen Gründen Verwahrlosungsproblemen nicht verschließen. Welche Antworten finden PsychotherapeutInnen und PsychiaterInnen auf verwahrloste Alte, verwahrloste psychisch Kranke und gesellschaftliche Strukturen, die zu verwahrlosen scheinen? Gilt die alte Effizienzformel der Psychotherapiewirkungsforschung: „Wer hat dem wird gegeben“ mit der Ergänzung, „Wer nichts hat, bekommt nichts!“? Oder verdrängen wir nur unsere eigenen Verwahrlosungstendenzen und die Angst, unter verwahrlosenden Umweltbedingungen mit zunehmenden Alter selbst zu verwahrlosen? Vielleicht sollten wir helfen, ein Missverständnis zu klären: Verwahrlosung ist nicht selbstverschuldet und schicksalhaft, sondern könnte ein Indikator für psychische Überforderung, psychische Belastung und psychische Störung sein, der wir effektive Therapien in Psychotherapie und Psychiatrie entgegensetzen können!

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2009, měkká

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