Hatto
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Wie Egon Bondy selbst so ist auch seine Romangestalt Hatto – ein sächsischer Mönch zu Beginn des zehnten Jahrhunderts – ein Außenseiter: Er will sich nicht verbieten lassen, anders zu denken, als es die Kirchenväter vorschreiben. Mit der ketzerischen Frage »Warum ist Gott?« lässt er die hölzernen Palisaden seines ärmlichen Klosters hinter sich und macht sich auf in eine Welt, deren alte Sicherheiten ins Wanken geraten: Ludwig das Kind, der letzte Karolinger im ostfränkischen Reich, ist gestorben und die Nachfolge ungeregelt; in Rouen lässt sich ein Wikinger taufen, um an das Königreich zu gelangen; vor den Toren Konstantinopels stehen die Bulgaren; die Mauren bedrängen Italien und die Ewige Stadt Rom, in der zu allem Unglück nicht die Päpste regieren, sondern deren Huren – das Ende der Welt scheint sich anzukündigen. Hatto besucht die reiche Stadt Mainz und nimmt an der verschwenderischen Tafelrunde des Erzbischofs teil; er reist bis nach Vineta und Ultima Thule, ans Ende der Welt, ins ewige Eis … In Briefen an den Abt seines Klosters berichtet Hatto von der Erkenntnis, zu der ihn diese Reise führt. Auf der Grundlage historischer Quellen und detailgetreuer geschichtlicher Bilder, verknüpft mit frei erfundenen Begebenheiten, hat Egon Bondy mit »Hatto« einen philosophischen Roman von beeindruckender, karger Schönheit geschaffen. Der dem Autor so dringend notwendig erscheinende Dialog zwischen Atheismus und Theologie wird hier aufgenommen – in der Gestalt des Erkenntnis suchenden mittelalterlichen Mönchs. Auf die Frage eines Journalisten: »Betrachten Sie sich denn nicht mehr als einen verbissenen Atheisten?« gab Egon Bondy 1997 zur Antwort: »Seit Jahren schreibe ich darüber, dass der traditionelle Atheismus vollkommener Unsinn ist, und das Monopol des Atheismus, so wie wir ihn heute erleben, eine Sackgasse des menschlichen Denkens darstellt. Damit muss man irgendwie Schluss machen, man muss mit dem Aufbau von etwas Neuem beginnen.«