Knihobot

Rolf van Raden

    Patient Massenmörder
    Im Griff der Medien
    • Im Griff der Medien

      Krisenproduktion und Subjektivierungseffekte

      „BILD lügt!“ Unter diesem Motto haben seit den 1970er Jahren Menschen dagegen protestiert, dass eine auflagenstarke Zeitung selbst zum politischer Akteur wurde und dabei Grundregeln des Journalismus verletzte. Gegenwärtige Medienkritik thematisiert nicht nur den Einfluss von Medien auf politisch-soziale Diskurse sowie umgekehrt den Einfluss dieser Diskurse auf die Medien. Darüber hinaus spielt das, was in Medien gesagt werden kann, eine wichtige Rolle für das Wissen der Menschen, für ihre Selbstbilder und ihre Handlungsspielräume – kurz: für das, was die Sozialwissenschaft als Subjektivierung bezeichnet. In Zeiten von Denormalisierungen wie der Wirtschafts- und Finanzkrise, aber auch in existenziellen Krisen wie etwa Kriegssituationen wird das besonders deutlich. Im vorliegenden Band untersuchen namhafte WissenschaftlerInnen und Journalisten das schwierige Verhältnis von medialer Öffentlichkeit und Massenbewusstsein. Ein Ergebnis: Krisenbewusstsein konstituiert sich nicht nur in Nachrichtenmedien, sondern auch in Jugendzeitschriften, in Ratgeberliteratur, ikonografischen Darstellungen und Computerspielen. Der Band konfrontiert dabei journalistische Praxiserfahrungen mit der Diskurstheorie im Anschluss an Michel Foucault.

      Im Griff der Medien
    • Patient Massenmörder

      Der Fall Ernst Wagner und die biopolitischen Diskurse

      Hirnforschung, die Täter der RAF und Amokläufe in Schulen – WissenschaftlerInnen und JournalistInnen beziehen sich bis heute auf einen Mordfall aus dem Jahr 1913. Ernst August Wagner, ein Hauptschullehrer aus Degerloch bei Stuttgart, tötete in der Nacht vom 3. auf den 4. September seine Frau und vier Kinder, erschoss anschließend neun weitere Menschen und verletzte elf schwer. Bis 1938 lebte er in einer psychiatrischen Anstalt und bedauerte nicht, seine Kinder getötet zu haben, da er sein Geschlecht als entartet ansah. Diese Überzeugung verband ihn mit seinem Arzt Robert Gaupp, Leiter der Universitätsnervenklinik Tübingen, der Wagner als Fallstudie nutzte, um die Lehre von der echten Paranoia zu entwickeln. Gaupp, ein Befürworter von Eugenik und Zwangssterilisation, forderte bereits 1920 die „Vernichtung lebensunwerten Lebens“. Die Studie untersucht die biopolitischen Diskurse, in denen sich Mörder und Arzt bewegten, und erfasst erstmals die begleitenden Schriftdokumente aus Presse, Politik und Wissenschaft. Der Autor zeigt, wie die Psychiatrie ihre Diskurse systematisch ausdehnte, was im Nationalsozialismus zu eliminatorischen ärztlichen Praktiken führte. Wagner und seine Psychiater werden somit als Referenzfiguren eines Jahrhunderts der Biopolitik dargestellt, das nicht mit 1945 endete.

      Patient Massenmörder