"Wenn du mich liebst, bist du erledigt!"
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Immer wieder, aus verschiedenen Blickwinkeln und Perspektiven, werden die Mitleser dieses Bandes ermutigt, das Befremdliche der Literatur nachzuvollziehen, als , Ausländer des Gefühls' nämlich (so Wolfgang Koeppen), die - entsprechend der aporetischen Struktur von Erfahrung - von der Literatur ähnliches erwarten. Aporie meint in der klassischen Philosophie ja mehr als nur Verunsicherung, Ratlosigkeit; es bezeichnet ursprünglich den Punkt, wo der nichtwissend-Unwissende zu einem wissend-Unwissenden wird, indem er das vermeintliche Wissen als Vorurteil erkennt. Aporie ist die Grundstruktur des Suchens überhaupt; und man faßte dies von Anfang an ins Bild dessen, der sich auf eine Reise ins Ungewisse begibt. Ungesichertes Gelände zu betreten, Aporien zu provozieren oder auf sie zu stoßen, wird somit zu einem grundlegend menschlichen Verhalten, eben das der Erfahrung, des Irrtums, mithin des Lesens, Lebens, Schreibens. Nur eine Lektüre , ohne Gewähr' garantiert das Staunen, das vor allem, ja vielleicht sogar nur den Fremden, Heimatlosen trifft. Daß es Anstrengung kostet aufzubrechen, ergibt sich notwendig daraus, daß Kritik nur im Zustand der Distanz, vielleicht sogar der Einsamkeit zu erreichen ist. Wolfgang Koeppen sprach einmal vom „archimedischen Punkt außerhalb der Menschheit“, den der Schriftsteller brauche, um zu schreiben. Freilich war gerade er ein unvergleichlich weltzugewandter Liebhaber sprachlicher und leiblicher Genüsse. Jedenfalls ist nicht nur unsere Fahrt ins Ungewisse der Literatur als ein Modell für Welterfahrung zu verstehen. Man schreibt eben nur - wie es der Titel von Ernst Jandls Sprechoper sagt - „Aus der Fremde“. Deshalb werden die Leser ungesicherter Lektüren eingeladen, sich an sechs Beispielen (plus einem Aperçu) auf das Abenteuer des Außenstandpunkts einzulassen, nachzuvollziehen, was geschieht, wenn bequeme, durch routinierten Gebrauch ausgedünnte Analysekategorien und Blickweisen aufgegeben werden. Denn - nicht nur den Weg begehen wir als Fremde, befremdlich ist das Gelände selbst. INHALT: Eloge der ungesicherten Lektüre Botschaften ohne Rückversicherung. Ingeborg Bachmanns Gedicht „Hôtel de la Paix“ und die Dialoge ins Schweigen Schreiben auf unsicherem Grund: Leben und Literatur Cesare Paveses Der Schriftsteller als Einzelfall? Zum nicht-versicherbaren Anspruch auf literarische Authentizität am Beispiel von Hans Erich Nossack, Marlen Haushofer und Ingeborg Bachmann Großstadtverunsicherungen. Paris als Topographie und Topos. Eine Passage vom 18. ins 20. Jahrhundert Schiller als Essayist - Unsichere Vernunft, deformierte Subjekte Die Vermittlerin vermitteln wollen? Überlegungen zu Fährnissen und Chancen einer ungesicherten Lektüre für die Schule
Zur Widersetzlichkeit der Literatur in Spätaufklärung und Romantik
Umso mehr sich der Nachlaß Wolfgang Koeppens öffnet, umso deutlicher wird: Dieser Autor ist nie verstummt. Neben dem veröffentlichten Werk gibt es ein weit größeres des «inneren Dialogs», das sich in Entwürfen, Briefen, Romanprojekten und täglichen Aufzeichnungen manifestiert. Die vorliegende Arbeit unternimmt den Versuch, die Poetik des Autors auf der Basis dieses umfassenden Oeuvres zu hinterfragen und einen ersten Blick in die Werkstatt des Autors zu werfen. Ein Unternehmen, das sowohl textkritische wie interpretatorische Fragen neu stellt und das Bild des Autors – nicht zuletzt durch die Berücksichtigung bislang unbekannter Zeugnisse – in ein verändertes Licht rückt.
«Die Formel und das Unverwechselbare» lautete der Titel eines interdisziplinären Forschungscolloquiums, das im Januar 1999 in Dortmund am Institut für deutsche Sprache und Literatur stattfand. Doch welches Verhältnis besteht zwischen Formel und Unverwechselbarem - bedingen sie sich gegenseitig oder schließen sie sich aus, sind Rituale , Topoi und rhetorische Muster ein Gewinn oder Verlust für unser Bewußtsein und unsere Einbildungskraft, verhindern oder ermöglichen sie Individualität? Fragen, die hier, über den literaturwissenschaftlichen Kontext hinaus, in Philosophie, Rechtspraxis, Bildender Kunst und Medien diskutiert und zugleich innerhalb ihres kulturellen und anthropologischen Umfelds beleuchtet werden.