Walter Scheiffele Knihy






Parallel zur Westmoderne in Architektur und Design existierte eine Ostmoderne. Walter Scheiffele zeigt das Wechselspiel zwischen beiden am Beispiel des Möbelbaus, der in den Deutschen Werkstätten Hellerau seit Werkbundzeiten ein Zentrum hatte. Von Mart Stam, Selman Selmanagic, Franz Ehrlich und anderen gingen Impulse aus, die von der Möbelgestaltung bis zum Städtebau reichten. Die Möbelprogramme von Selmanagic und Ehrlich wurden von den Deutschen Werkstätten als dem bald führenden Möbelhersteller der DDR realisiert. In Westdeutschland fanden sie Parallelen im Typenmöbelprogramm M 125 von Hans Gugelot und im INwand-System von Herbert Hirche. In Hellerau wiederum führte Rudolf Horn zur selben Zeit mit seinem MDW-Montagemöbelsystem die Möbelgestaltung zu einem neuen Höhepunkt. Dreißig Jahre nach der Wiedervereinigung ist es an der Zeit, über eine, wenn auch widerspruchsvolle, Einheit von Ost- und Westmoderne nachzudenken. Walter Scheiffele (*1946) ist Designtheoretiker. 2016 erschien bei Spector Books Das leichte Haus. Utopie und Realität der Membranarchitektur.
Karl Mey und Wilhelm Wagenfeld - Industrie- und Designstrategie 1935 bis 1939
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Mit „Peter Behrens und die AEG“ begann alles. Das erste umfassende Erscheinungsbild für einen modernen Industriebetrieb wurde zu einem Leitbild für das Design in Deutschland. Die bekannte Fotografie aus dem Atelier des großen Gestalters zeigt die kommende Avantgarde – zwei zukünftige Bauhausdirektoren unter den Mitarbeitern von Behrens. Eine Linie führt in die Moderne der 1920er Jahre, während die verborgene von der AEG selbst stammt: In der Nähe der von Behrens entworfenen Turbinenfabrik befand sich die Glühlampenfabrik der AEG. Ihr Direktor, Dr. Karl Mey, wird Jahrzehnte später von Behrens’ Einfluss inspiriert und initiiert ein künstlerisches Parallelereignis: „Wilhelm Wagenfeld und die VLG“. 1935 engagiert Mey Wagenfeld als künstlerischen Leiter der Vereinigten Lausitzer Glaswerke und eröffnet ihm einen weitreichenden Einfluss im Konzern. Wagenfeld entwickelt eine umfassende Designstrategie für die Glaswerke, die im NS-System verwurzelt ist. Sein „künstlerisches Labor“ wird zum Zentrum, in dem nach dem Bauhaus-Programm modernes Glas entsteht. Führende Gestalter, Patente, Werbung, moderne Industriebauten und Künstler an den Glasöfen prägen das Geschehen. Gropius’ Ziel einer „Einheit von Kunst und Technik“ wird von Wilhelm Wagenfeld und Karl Mey in bemerkenswerter Weise verwirklicht.
Das leichte Haus
Utopie und Realität der Membranarchitektur
Ausgangspunk der fundierten Untersuchung von Walter Scheiffele ist das 1926 veröffentlichte Buch „Der Raum als Membran“. In ihm hatte Siegfried Ebeling seine Theorie der biologischen Architektur entwickelt. Auch wenn er von vielen Bauhaus-Architekten aufmerksam gelesen wurde, geriet Ebelings Werk schnell in Vergessenheit. Walter Scheiffeles großangelegter Essay bezeugt nun die die Genese einer nach wie vor virulenten Idee. Denn mit Ebeling lässt sich ein Bezug zur utopischen Architektur, der scheinbar am Bauhaus in Dessau verloren ging, wieder herstellen. Über sein Werk lassen sich die phantastischen Entwürfe der Gläsernen Kette mit den Metallhausplänen eines Hugo Junkers über die Membranarchitekturen von Frei Otto bis Werner Sobek bis zum Klima-Engineering von Matthias Schuler in der Gegenwart verbinden. Ebeling blieb seinen utopischen Projekten in der Nachkriegszeit treu; an der bundesdeutschen Realität ist er damit jedoch gescheitert. Es ist an der Zeit, ihn wieder zu entdecken – und mit ihm eine bedeutende Linie der utopischen Architektur.
Als das Weimarer Bauhaus 1925 nach Dessau kommt, beginnt dort eine neue Ära für das ebenso berühmte wie umstrittene Institut. Wird das Bauhaus ein BAUhaus? Kann es sein Programm einer »Einheit von Kunst und Technik« realisieren? In Dessau entwickelt sich eine Konstellation, in der Kunst, Industrie und Politik aufeinander wirken. Ein Kraftfeld der Moderne entsteht. Neben dem liberalen Oberbürgermeister Fritz Hesse drängt vor allem der Führer der sozialdemokratischen Partei, Heinrich Peus, auf eine Modernisierung der Stadt. Er sorgt zusammen mit Hesse dafür, dass das Bauhaus nach Dessau kommt, und er schafft einer zweiten Fraktion der Moderne um Adolf Loos den Spielraum für gestalterische Experimente. Der Flugzeugkonstrukteur Hugo Junkers gibt mit seinen Fabriken das Beispiel einer innovativen Technik, die den Künstlern am Bauhaus nicht nur Vorbild ist, sondern die selbst in Wettbewerb mit den Künsten tritt.