Von der "Realpolitik" zur "Dingpolitik" oder wie man Dinge öffentlich macht
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Realpolitik erweist sich als eine sehr unrealistische Version von Politik. Denn die meisten unserer politischen Leidenschaften und Interessen sind auf Dinge gerichtet - im Sinne der alten englischen und deutschen Wortbedeutung von Ding -, heutzutage als „(strittige) Sachverhalte“ übersetzbar. - Ungeachtet dieserdauernden Aufmerksamkeit für Dinge verharrte die politische Theorie auf einer ziemlich abstrakten Ebene von Meinungen und Positionen, von Rang und Problemlösung, und allgemeiner von diskursiven Einstellungen. - Das Anliegen dieses Textes ist es, Politik zu den Dingen zurückzubringen und zu sehen, was passiert, wenn man die verschiedenen Versammlungen, in denenDinge geprägt und entschieden werden, mit dem traditionellen politischen Vokabular vergleicht.-- Das Buch erscheint zeitgleich zu der von Bruno Latour und Peter Weibel kuratierten Ausstellung „Making Things Public. Atmosphären der Demokratie“, die vom 19. März 2005 bis 03. Oktober 2005 am ZKM Karlsruhe, Museum für Neue Kunst, zu sehen ist. Die allgemeine Hypothese ist so einfach, dass sie trivial klingen könnte - doch trivial sein könnte zu dem gehören, was es heißt, in der Politik „Realist“ zu werden. Es könnte sein, dass wir mehr durch unsere Sorgen, die Sachen, um die es uns geht, die Fragen, die uns beschäftigen, verbunden sind, als durch jede andere Reihe von Werten, Meinungen, Einstellungen oder Prinzipien. -- Das Experiment lässt sich ganz einfach durchführen. Der Leser oder die Leserin braucht sich bloß irgendeine beliebige Reihe heutiger Streitfragen durch den Kopf gehen zu lassen: der EU-Beitritt der Türkei, das islamische Kopftuch in Frankreich, die Ausbreitung genmanipulierter Organismen in Brasilien, die Verschmutzung des Flusses in der Nähe Ihres Hauses, das Wegbrechen der Gletscher in Grönland, die geringere Rendite Ihrer Pensionskasse, die Schließung der Fabrik Ihrer Tochter, die anstehenden Reparaturen in Ihrer Wohnung, das Steigen und Fallen der Börsenkurse, die letzte Geisel-Enthauptung durch Fanatiker in Falludscha, die letzte amerikanische Wahl. Bei jedem dieser Gegenstände taucht eine andere Reihe von Leidenschaften, Empörungen, Meinungen auf, wie auch eine andere Reihe interessierter Parteien und andere Wege für ihre teilweise Lösung. - Es ist klar, dass jeder Gegenstand - jede Streitfrage - ein anderes Muster von Emotionen und Brüchen, von Unstimmigkeiten und Übereinstimmungen erzeugt. Möglicherweise gibt es keine Kontinuität, keine Kohärenz in unseren Optionen, doch es gibt eine verborgene Kontinuität und eine verborgene Kohärenz in dem, womit wir verbunden sind. Jeder Gegenstand versammelt eine andere Versammlung relevanter Parteien um sich. Jeder Gegenstand bietet neue Gelegenheiten für leidenschaftliche Differenz und Diskussion. Jeder Gegenstand kann ebenso neue Möglichkeiten bieten, die Debatte abzuschließen, ohne sich sonst auf viel einigen zu müssen. Mit anderen Worten, Gegenstände - verstanden als ebenso viele Streitfragen - halten uns alle auf verschiedene Weise in Schranken, und diese verschiedenen Weisen markieren einen öffentlichen Raum, der sich grundlegend von dem unterscheidet, was üblicherweise unter der Bezeichnung des „Politischen“ verstanden wird.