Sozialistische Betriebe und Institutionen als Verklagte im DDR-Zivilprozess
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In Zivilprozessen gegen sozialistische Betriebe (z. B. VEB, HO, PGH) und Institutionen in der DDR konnten Konflikte zwischen Bürgern und Staat zur Sprache kommen, welche die Herrscher in dieser Diktatur weder öffentlich diskutiert noch in einer Weise entschieden wissen wollten, die ihre Macht einschränken konnte. Es wurde deshalb versucht, die Rechtswegeröffnung bei solchen Auseinandersetzungen zu beschränken sowie die rechtliche Position der sozialistischen Betriebe und Institutionen zu stärken. Gerichtliche Verfahren wurden kontrolliert. Die Betriebe konnten, die „sozialistischen“ Vorgaben auch des ZGB von 1976 weitgehend ignorierend, pragmatisch ihren institutionellen Vorteil schon im Vorfeld einer Zivilklage nutzen. So kam es, dass die allermeisten der - fast ausschließlich verbliebenen - Konsumentenprozesse in den 70er/80er-Jahren „normal“ verliefen. Die Klagen der Selbständigen zu Beginn der DDR hatten sie zum großen Teil abgelöst. In jener Periode war das Recht noch als Mittel zur Durchsetzung des sozialistischen Wirtschaftsmodells benutzt worden. Der Autor untersuchte die Zivilverfahren gegen sozialistische Betriebe und Institutionen auf der Grundlage von Gerichtsakten, die sich über 40 Jahre auf dem Dachboden des Amtgerichts Berlin-Mitte angesammelt hatten. Er analysierte die Akten zunächst inhaltlich. Aufgrund zusätzlicher quantitativer Erfassung, der Ergebnisse des DFG-Projekts „Zivilrechtskultur der DDR“ und der Daten des Ministeriums der Justiz der DDR erstellte er zahlreiche statistische Auswertungen, die einen tieferen Einblick in diese Verfahren eröffnen. Zeitzeugeninterviews mit Justitiaren, Rechtsanwälten, klagenden Bürger und anderen Beteiligten sowie das Studium von Akten des Ministeriums der Justiz der DDR, Eingaben und der juristischen Literatur der DDR ergänzten das methodische Vorgehen. Das Hauptaugenmerk liegt auf der Untersuchung der Prozesse von Bürgern gegen sozialistische Betriebe und Institutionen. Es werden aber auch Ausführungen gemacht zu Klagen von Mitgliedern sozialistischer Genossenschaften (PGH), Auslandsverfahren unter Beteiligung der Deutschen Reichsbahn nach dem SMGS, zu den Justitiaren im Rechtssystem der DDR, Zivilklagen von Künstlern, der Produkthaftung, dem Recht der Allgemeinen Bedingungen. Schließlich wird ein erster, systematischern Gesamtvergleich zwischen Eingaben und zivilgerichtlichen Klagen unternommen.