Elias Canetti - Experte der Lüge
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Elias Canettis Gesamtwerk ist im Hinblick auf seinen moralischen Hintergrund sehr umstritten, was in gerade für die Beschäftigung mit der Lüge zu einem spannenden Untersuchungs-gegenstand macht. Für die einen gilt er als letzter „Humanist“, für die anderen stellt er einen boshaften Machtverteidiger dar. Beide Positionen sind als einseitig zu veranschlagen, denn Canettis Blickwinkel ist ein ambivalenter, der sich intensiv mit den Problematiken der „Wahrnehmung und Wahrheit“, „Subjektivität und Spiel“, „Leben und Lüge“ auseinander gesetzt hat. Angefangen mit der dreibändigen Autobiographie, dem Roman Die Blendung, seinem anthropologischen Werk Masse und Macht, seinen Aphorismen bis hin zu seinem literarischen Nachlass entwickelt der Autor ein spezifisches „Gedankengebäude Canetti“, welches ihn nicht nur als den bekannten „Experten der Macht“, sondern eben auch als einen „Experten der Lüge“ ausweist. Bei Canetti findet sich die „Lüge“ auf drei Ebenen: Zum einen auf der Ebene seiner Autobiographie, aber auch innerhalb seiner Poetologie und auf der Ebene seiner Philosophie. Diese „Lügenebenen“ sind allerdings nicht strikt voneinander getrennt, sondern gehen oftmals ineinander über und ergeben damit einen graduellen Lügenbegriff. Die Lüge zeigt bei Canetti letztendlich ihr janusköpfiges Wesen: Der verwerflichen Lüge in Gestalt des Kitsches, die dem Machtaufbau und Machterhalt dient, wird die spielerische Lüge in Form der Verwandlung, die dem Machtentzug und dem Widerstand dient, entgegengestellt.