Medea
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Die Faszination der antiken Mythen ist bis heute ungebrochen. Zu diesen Mythen zählt auch Medea, um die sich als Mörderin des Bruders, des Onkels, der Nebenbuhlerin und der beiden Kinder eine Aura aus Schrecken und Faszination gebildet hat. Als leidenschaftlich Liebende und verlassene Frau, als mörderische Schwester und Mutter, als heilkundige Zauberin und todbringende Giftmischerin ist Medea über Jahrhunderte hinweg eine ambivalente Bezugsfigur gewesen, die wegen ihres Gewaltpotentials bis weit ins 20. Jahrhundert mit einem Tabu belegt war bzw. gerade deswegen als Figur der Überschreitung in politischen Konfliktsituationen in der Gegenwart emphatisch aufgerufen wird. Das Buch von Inge Stephan stellt sich all diesen Widersprüchen und Ambivalenzen, ohne sie vorschnell einzuebnen oder harmonisieren zu wollen. Dabei greift die Autorin über den Kanon der literarischen Texte von Euripides über Grillparzer bis Christa Wolf entschieden hinaus, indem sie auch Werke der bildenden Kunst und Musik sowie erstmals Medea-Filme in ihre Untersuchung einbezieht. Wenngleich die Medea-Bearbeitungen des 20. Jahrhunderts im Mittelpunkt stehen, werden auch Zeugnisse aus vorigen Jahrhunderten berücksichtigt, weil nur so der extreme Wandel der Deutungen aufgezeigt werden kann, den Medea im Zuge der Rezeptionsgeschichte durchlaufen hat. Dabei wird deutlich, dass die »dunklen« gewalttätigen Seiten ebenso dazu gehören wie die »hellen« anrührenden Züge, die sie als liebende Frau und Mutter trägt.