Epidemiologische Analyse und Beurteilung absichtlicher Kontamination durch Bacillus anthracis in der Futtermittelkette
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AuszugFür den Bereich Futtermittel gibt es über bioterroristische Angriffe kaum Erkenntnisse. Über die absichtliche Kontamination von Futtermitteln sind einige wenige Beispiele aus dem ersten Weltkrieg bekannt. Es wird vermutet, dass von 1916-1918 die Erreger Bacillus anthracis und Burkholderia mallei vom deutschen Heer genutzt wurden, um Nutztiere absichtlich über das Futter zu infizieren (Christopher et al., 1997; Lehavi et al., 2002; Al-Ani und Roberson, 2007; Darai et al., 2009). . Eine andere Quelle berichtet über den Einsatz von Burkholderia mallei durch das japanische Militär. Der Erreger soll genutzt worden sein, um gefangene Soldaten und deren Pferde vorsätzlich zu infizieren (Bossi et al., 2004). Sowohl die vorsätzliche Verunreinigung von Lebensmitteln und Trinkwasser (z. B. durch Salmonella Typhi oder Vibrio cholerae) (Montigel, 2004) als auch die „Anthrax-Krise“ im Jahre 2001 sind Beispiele aus der heutigen Zeit für die Angreifbarkeit des zivilen Bereiches und die grundsätzliche Eignung von Mikroorganismen als biologische Waffe. Die Ausgangserzeugnisse für Futtermittel sind vielfältig und stammen aus dem nationalen wie dem internationalen Markt. Diese Grundbedingungen können die Produktionsketten für einen bioterroristischen Angriff empfindlich machen. In der Literatur sind umfangreiche Untersuchungen über den Keimgehalt von Futtermitteln (Darai et al., 2007; Klausdeinken, 2008; Kleine-Klausing, 2009) oder über die Wirksamkeit der dem Futter als Probiotika zugesetzten Sporenbildner zu finden (Simon, 2005; EFSA, 2007). Eine konkrete Einschätzung über das thermische Inaktivierungsverhalten von gefährlichen Erregern wie Bacillus anthracis in Futtermitteln wurde in öffentlich zugänglichen Arbeiten nicht gefunden. Die Datenlage bezüglich der Thermoresistenz von Sporen auch anderer bekannter Sporenbildner wird allgemein als lückenhaft und zum Teil widersprüchlich beschrieben (Hinrichs, 2010). Ziel dieser Arbeit ist es, über die Charakterisierung des Erregers Bacillus anthracis seine Eignung als absichtliche Kontaminante in den Prozessschritten der Futtermittelkette modellhaft zu bewerten. Die Ergebnisse sollen die verantwortlichen Behörden und die Futtermittelindustrie im Falle eines Anschlages in ihrer Gefahreneinschätzung unterstützen. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde nach eingehender Literaturrecherche anhand der gesammelten Daten ein deterministisches Modell entwickelt, das das Inaktivierungsverhalten der Anthraxsporen für jeden einzelnen Produktionsschritt in der Mischfutterherstellung einschätzt. Hierbei wurde neben den Eigenschaften des Erregers (genetische Diversität, Tenazität), die in dem jeweiligen Herstellungsschritt wirkenden physikalischen Kräfte (z. B. Temperatur) oder chemischen Zusatzstoffe (z. B. organische Säuren) auf die Mikroorganismen berücksichtigt. Das erarbeitete Modell betrachtet die Prozessschritte beispielhaft ausgehend von der Verarbeitung der Rohware im Futtermittelwerk bis hin zum Verzehr des fertigen Mischfutters durch Rinder. Für die Abschätzung der Konsequenzen für das Rind wurden publizierte infektiöse Dosen herangezogen und die Auswirkungen auf eine bestimmte Anzahl von Tieren geschätzt.