Thomas Mann - Emil Liefmann
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Vom heutigen Stand der Thomas Mann-Forschung ausgehend, ließe sich Theodor W. Adorno beruhigen, denn der Sozialwissenschaftler äußerte einst den Wunsch, 'nicht gerne Arm in Arm mit dem guten Dr. Liefmann in die vita Thomas Manns Einzug zu halten.' Während seinem Einfluss auf das Spätwerk des Dichters mittlerweile ausreichend Rechnung getragen wurde, ist der Bekanntschaft zwischen Thomas Mann und dem jüdischen Frankfurter Arzt Emil Liefmann lediglich am Rande einiger Veröffentlichungen Beachtung geschenkt worden und selbst den beschlagensten Thomas Mann- Kennern unbekannt – und dies, obwohl Thomas Mann während seiner Frankfurt-Aufenthalte in den 1920er- Jahren regelmäßig zu Gast im Haus des kunstsinnigen Mediziners im Grüneburgweg war und noch im amerikanischen Exil Kontakt zu ihm pflegte. Von der nachgerade familiären Freundschaft, in die auch die Ehefrauen Katia Mann und Marie Liefmann eingeschlossen waren, zeugt eine umfangreiche Korrespondenz von insgesamt zweiundsechzig Schrift stücken aus den Jahren 1922- 1952, die hier erstmals in einer kommentierten Edition vorgelegt wird. Auf einer literarischen Spurensuche werden zahlreiche bisher unbekannte Details der Frankfurt-Aufenthalte Thomas Manns aufgedeckt, darüber hinaus die bewegende Vita Emil Liefmanns rekonstruiert und somit ein Stück Frankfurter Bürgergeschichte dem Vergessen entrissen. Denn der einst angesehene Mediziner Liefmann, der im Westend seine Praxis hatte, teilte das Schicksal zahlreicher jüdischer Bürger Frankfurts und musste unter dem Druck nationalsozialistischer Behörden nach Amerika emigrieren. Von dem schwierigen Überleben im Exil und von Thomas Manns Unterstützung und Anteilnahme legt der Briefwechsel ein eindringliches Zeugnis ab. Ein Exkurs untersucht mit der epistolaren Selbstreflexion, dem Selbstzitat und der stilistischen Erprobung für Thomas Mann charakteristische Formen des Briefschreibens. Anhand zahlreich nachgewiesener intertextueller Bezüge zeigt sich Thomas Manns Verfahren, sein Briefwerk mit dem erzählerischen OEuvre zu verknüpfen und in Beziehung zu setzen. Eine stilanalytische und textfunktionale Analyse des Briefcorpus schließt die Arbeit ab.