Gewissensfreiheit und Peuplierung
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Gewissensfreiheit und Peuplierung Toleranzhaltung und Wirtschaftspolitik in den Ysenburger Grafschaften im 18. Jahrhundert von Dr. Klaus-Peter Decker Die Ysenburger Grafschaften galten schon den Zeitgenossen als eine „Freistatt des Glaubens“. Durch die Teilungen im Hause fast an den Rand der politischen Bedeutungslosigkeit gerückt, wurden hier Offenheit und Toleranz gegenüber religiös Verfolgten als Chance gesehen, um nach den langen Kriegszeiten des 17. Jahrhunderts die Ökonomie wieder zu stärken und das Land zu „peuplieren“, die Bevölkerungszahl zu mehren. Tragendes Prinzip dabei wurde die Anerkennung der Gewissensfreiheit, die Überzeugung „dass die obrigkeitliche Macht sich nicht über die Gewissen erstrecke“, wie im Büdinger Toleranzedikt von 1712 ausdrücklich formuliert wurde. Das Buch versucht eine Gesamtdarstellung dieser Bestrebungen und schlägt dabei einen Bogen vom Wandel im Denken und den ersten Kontakten mit Migranten nach der Ausweisung der französischen Protestanten seit 1685, hin zur Aufnahme von Hugenotten in Offenbach und der Gründung von Neu-Isenburg 1699 sowie parallel dazu der Anlage der Waldenserkolonie Waldensberg. Eingehend behandelt werden die neue Strömung des Pietismus und ihre radikalen Auswüchse, mit Problemen bei der Aufnahme von Separatisten und Neutäufern vor allem im Marienborner Landesteil, wobei ein besonderes Augenmerk der Inspirationsgemeinschaft mit ihren „Propheten“ von der Entstehung 1714 im Ysenburger Land bis zur gemeinsamen Auswanderung in die USA 1843 gilt. Auch das Wirtschaftsprogramm des Grafen Ernst Casimir von 1712 für die Stadt Büdingen und seine Wirkung werden ausführlich aufgearbeitet, ferner das letztlich gescheiterte Experiment der Aufnahme der Herrnhuter Brüdergemeine in der stadtähnlichen Siedlung Herrnhaag zwischen 1738 und 1750. Der historische Überblick fügt sich damit ein in die rege aktuelle Diskussion über Migration und Integration, der Rolle von Minderheiten, religiöser Toleranz und kulturellem Transfer.