Das Geschichtsbewusstsein Jugendlicher
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Hat die deutsche Zweistaatlichkeit von 1949 bis 1989 Unterschiede oder gar Gegensätze im Geschichtsbewußtsein ost- und westdeutscher Jugendlicher bewirkt? Haben SED-Geschichtskonzept und demokratisch-pluralistische Geschichtsauffassung in Köpfen und Herzen von Lernenden jeweils andere Spuren hinterlassen? Auf solche Fragen gibt die hier vorgelegte empirische Studie Antworten. In ihr wurde eine repräsentative Stichprobe von Schülerinnen und Schülern der 6., 9. und 12. Klassen aus Ost-, West- und Süddeutschland im Herbst 1992 befragt. Dazu wurde eine Lehrerbegleitbefragung durchgeführt. Das breite Spektrum von Fragestellungen zu Motivationen, Assoziationen, Deutungen, Wertungen, Aktualisierungen und Prognosen läßt Schlüsse auf die komplexe Verknüpfung von Vergangenheitsdeutungen, Gegenwartswahrnehmungen und Zukunftserwartungen zu. Damit reicht die Studie weit über den traditionellen Horizont von Geschichtssozialisation hinaus. Die Befunde werfen wichtige Schlaglichter auf kulturelle Selbstverständlichkeiten und die öffentliche Geschichtskultur in Deutschland. Zugespitzte didaktische Konzepte in Ost und West haben nur eine begrenzte Wirksamkeit entfaltet, doch sind strukturelle Defizite im spezifisch historischen Argumentieren überall unverkennbar. In den meisten Dimensionen zeigen Ost und West - anders als bei den Lehrenden - nur geringe graduelle Abstufungen. Insbesondere läßt sich eine wesentlich größere Anfälligkeit der ostdeutschen Jugendlichen für neonazistisches Denken nicht belegen. Auffällig ist in den neuen Bundesländern jedoch eine vom Westen fundamental abweichende nachträgliche positive Einschätzung der DDR-Zeit ohne Rechtfertigung von deren politischem System. Aus dem Inhalt: Vorbemerkung zum Projektverlauf; 1. Zielsetzung und Methode: Fragestellung der Untersuchung; Anlage der Untersuchung; Durchführung der Untersuchung; Auswertung der Untersuchung. 2. Beschreibung des Geschichtsbewußtseins von Jugendlichen: Einschätzungen der Vergangenheit; Indikatoren für Geschichtskompetenz; Reaktionen auf Konfliktfälle; Sinnbildung über Zeiterfahrung. 3. Strukturierung des Geschichtsbewußtseins von Jugendlichen: Grunddimensionen und Haupteffekte; Abhängigkeiten; Ablauf- und Kausalmodell; Pfadanalyse. 4. Lehrereinstellungen und Unterrichtswirkungen: Fachdidaktische Konzeptionen der Lehrenden; Fachwissenschaftliche Konzeptionen der Lehrenden; Lehrer- und Schüleräußerungen im Vergleich; Lehrer- und Unterrichtseffekte. 5. Ergebnisse und Interpretationen: Sozialstatistische und sozialisationsbedingte Unterschiede; Historisch-politisch- moralische Dilemmata; Spannungsfelder und Bruchzonen; Erfolg oder Mißerfolg der Geschichtssozialisation? 6. Bildungpolitische und geschichtsdidaktische Konsequenzen: Plädoyer für die Elementarisierung von Lernschritten; Plädoyer für die Intensivierung der Methoden; Plädoyer für die Förderung des Fremdverstehens; Plädoyer für die Stimulierung von Reflexivität. Schlußbemerkung zur Weiterarbeit. Anhang: Verzeichnis der Grafiken; Verzeichnis der Tabellen; Angeführte Literatur; Fragebogen.