Kommunikation als Beobachtung
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Die digitale Wende der Gegenwart begleitet ein ausgeprägtes Bewußtsein des epochalen Wandels durch mediale Innovationen. Doch werden die Voraussetzungen dafür leicht übersehen: Bereits während der Massenmedialisierung vom späten 19. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts kam es zu vielfältigen kritischen Beobachtungen des Verhältnisses von Medien und Gesellschaft. Hier entstanden nicht nur grundlegende Kategorien der erst später etablierten Medienwissenschaft. Die Reflexionen und Analysen trugen vor allem zur Integration der modernen Massenmedien in eine Gesellschaft bei, die erst in dieser Zeit begann, sich selbst zum Gegenstand zu machen. Diesen vielfältigen Prozessen einer Selbstthematisierung als Medien- und Kommunikationsgesellschaft zwischen 1880 und 1960 wenden sich die Beiträge dieses Bandes aus den Perspektiven der Geschichts-, Literatur- und Medienwissenschaften zu. Sie fassen diesen Zeitraum als „massenmediale Sattelzeit“, weil sich die einzelnen Massenmedien nicht allein technisch durchsetzten: Gerade als eine Grundlage ihres Siegeszugs bildete sich eine Selbstbeobachtung über die Entwicklung des massenmedialen Regimes als zweite Ordnung der Kommunikation heraus. Neben frühen Medienanalysen werden dazu gesellschaftliche Praktiken der Kommunikation und der kommunikativen Selbstreferenz anhand von Beispielen untersucht, die vom Bürgertum des späten 19. Jahrhunderts bis zu den politischen Parteien der frühen Bundesrepublik reichen. Dabei gewinnen insbesondere die vertrauten Zäsuren der Mediengeschichte ein neues Profil, weil sie mit den Wandlungen im Selbstverständnis der modernen Gesellschaft zusammengelesen werden und so das Wechselverhältnis zwischen Mediengesellschaft und Gesellschaft als Medium komplex und methodisch anregend historisiert wird.