Zwischen zwei Welten?
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Konversionserzählungen, die vom Übertritt von Jüdinnen und Juden in christliche Glaubensgemeinschaften berichten, können aufgrund ihrer Zahl und ihrer gesellschaftlichen Bedeutung in der frühen Neuzeit als ein eigenes Prosagenre gelten. Das Hauptziel dieser Studie ist es, die Verankerung der Konvertitinnen und Konvertiten in unterschiedlichen Beziehungsnetzen zu analysieren und zu zeigen, wie die Konversionserzählungen ihre Neusituierung in diesen Netzen mitbestimmten. Dabei untersucht Gesine Carl diese Quellen zunächst vergleichend, bevor sie sich in einer Fallstudie auf die Autobiographie des Christian Salomon Duitsch (1734–1795) konzentriert, die tiefe Einblicke in sein Gefühlsleben gewährt und von einer bis heute mitreißenden Erzählfreude geprägt ist. Sein umfangreicher Bericht wurde immer wieder neu ediert und vermochte selbst im 21. Jahrhundert noch eine niederländische Autorin so sehr zu faszinieren, dass sie seine Lebensgeschichte in einem Kinderbuch verarbeitet hat. Duitsch, der nach einer jahrelangen, entbehrungsreichen Odyssee durch halb Europa schließlich 1767 in Amsterdam zum reformierten Glauben übertrat, studierte später Theologie und vermochte sich in seiner niederländischen Wahlheimat nicht nur als Pfarrer, sondern auch als viel gelesener religiöser Schriftsteller zu etablieren. Trotzdem blieb auch ihm jene schmerzliche Erfahrung nicht erspart, die in den Quellen immer wieder thematisiert wird und der vorliegenden Untersuchung ihren Titel gegeben hat: das Gefühl, von der neuen christlichen Umgebung nicht vollständig akzeptiert zu werden und gezwungenermaßen ein Dasein zwischen zwei Welten zu führen, ein Dasein als Grenzgänger und lebende Brücke.