Jean-Jacques Rousseau

Diese Rousseau-Interpretation zeichnet sich u. a. dadurch aus, daß sie den Zugang zur systematischen Fragestellung über den entstehungsgeschichtlichen Kontext der Rousseauschen Schriften gewinnt. Bedingt durch diesen Zugriff, in welchem idden-, sozialgeschichtliche und biographische Perspektiven, Erscheinungsort und Adressatenfrage der jeweiligen Schriften miteinander in Beziehung gebracht werden, entsteht ein Bild des Rousseauschen Gesamtwerkes, in dem die meisten der bisher beklagten Widersprüche, Aporien und Dichotomien zwischen den einzelnen Schriften, aber auch zwischen Werk und Person, wenn nicht „auflösen“, so doch wenigstens zueinander fügen lassen, daß sie rational nachvollziehbar erscheinen. Dabei wird der innere Zusammenhang der pädagogischen und der politologischen Dimension des Gesamtwerkes deutlich: Rousseaus Theorie allgemeiner Menschenbildung erweist sich zugleich als politisch engagierte, sozialkritische Gesellschaftstheorie, wobei sein begriff naturgemäßer Erziehung sich weder in einem gesellschaftlich blinden noch utopischen Naturalismus verliert, sondern innerhalb der jeweils gegebenen konkreten gesellschaftlichen Verhältnisse auf die Freiheit und das Glück der Heranwachsenden zielt und gegen Zwänge gesellschaftlicher und erzieherischer Fremdbestimmung Vergesellschaftung als Individuierung und als einen Prozeß moralisch autonomer Subjektwerdung ermöglichen will.