Rudolf Brandner Knihy






Natur und Subjektivität
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Zum Phänomen der neuzeitlichen Vergeschichtlichung des Denkens gehört das seiner Entwirklichung, die sich in den Historisierungs- und Ästhetisierungsprozessen der Moderne niederschlägt. Entwirklichung aber verweist auf die subjektzentrierte Modifikation des Naturverhältnisses, der das neuzeitliche Geschichtsdenken allererst entspringt. Deshalb schließt die Frage nach der geschichtlichen Konstitution des Denkens die Frage nach seinem konstitutiven Naturbezug mit ein. Infrage steht das, was heute ist – und mit ihm dieses Fragen selbst. Der Begriff der Geschichte wird damit zum Zentrum der Auseinandersetzung um Möglichkeit und Notwendigkeit philosophischen Denkens in der Moderne, und es ist dieses Zentrum, das es auf seine Momente hin auseinanderzulegen gilt.
Das Erstaunlichste an Heidegger ist wohl, dass und wie er das Denken selbst umdenkt und verwandelt. Es verhält sich anders zu seinem Gedachten, als wir es unmittelbar an uns selbst finden und aus der Überlieferung der abendländischen Metaphysik gewohnt sind. Dies gelingt ihm nur, indem er das Verhältnis von Sein und Wissen grundsätzlich überdenkt und neu bestimmt. Der Ort dieser Bestimmung ist der Begriff der Aletheia: an ihm verwandelt sich das überlieferte metaphysische Denken zu einem neuen êthos, das, so Heidegger, allein vermag, dem geschichtlichen Entzug menschlichen In-der-Welt-Seins im Zeitalter wissenschaftlich-technologischer Rationalität gegenzuhalten. Eine Auseinandersetzung mit Heideggers Denken wird solange ins Leere gehen, als diese Verwandlung sowenig wie ihre geschichtliche Notwendigkeit nicht eigens auf den Begriff gebracht ist. Die vorstehende „Einführung“ in Heideggers Denken ist dazu unterwegs: sie versucht, das im Begriff der Aletheia neu gedachte Verhältnis von Sein und Wissen auf seine konstitutiven Momente hin auseinanderzulegen.
Was ist und wozu überhaupt - Philosophie?
Vorübungen sich verändernden Denkens
Es ist längst zu einer fraglosen Selbstverständlichkeit der Gegenwartsphilosophie geworden, im Hinweis auf verschiedene „Ansätze“ des Philosophierens jede Auseinandersetzung um das Philosophieren schon im „Ansatz“ zu ersticken. Und dies paradoxerweise angesichts einer geschichtlich erfahrenen Fragwürdigkeit der Philosophie selbst, die nur noch im gelangweilten Hinweis auf den vereinbarten geschichtlichen Vollzug der Moderne Erwähnung findet. So hat ein jeder seinen Ansatz und ist zufrieden. Die Frage nach der Philosophie, wie Brandner sie stellt, versucht demgegenüber, das im „Ansatz“ verschluckte Potential des Denkens zu reaktivieren und eine Auseinandersetzung um die geschichtliche Situation zugänglich zu machen.
Das geschichtliche Bedürfnis nach einer „Ethik“ unterstellt dem, was von der Philosophie heute noch übrig geblieben ist, eine gesellschaftliche Führungsfunktion in der Abwehr der technologischen Aushöhlung des Menschseins und seiner Selbstverständnisse insgesamt. Die Philosophie, ohnehin in „Legitimationsnot“, antwortet beflissen mit der „Rehabilitation der praktischen Philosophie“. Die „Ethik“ wird zum vermittelbaren Marktwert eines Denkens, dem seine raison d"être abhanden gekommen ist, ohne dass seine geschichtliche Grundproblematik, wie sie an erster Stelle von Nietzsche, dann von Heidegger auseinandergesetzt wurde, noch eigens bedacht würde. Damit ist man die Unbequemlichkeit los, sich auf ein geschichtliches „Denken des Denkens“ einlassen zu müssen, das die Lebenswirklichkeit der modernen Welt als das geschichtliche Resultat des Überlieferungszusammenhanges, dem es selbst entstammt, verantwortet und daraus seine Konsequenzen im Hinblick auf ein grundsätzliches „Umdenken des Denkens“ zieht.
Das Prinzip der «Subjektivität» wird als Begriff der Befreiung von der christlichen Theologie & Metaphysik zur geschichtlichen Grundlage der Neuzeit und fundiert die Ausbildung ihres Weltverhaltens im Rahmen wissenschaftlich-technologischer Rationalität: Sie ist es nun, die es als bestimmte Bildungsform des Erkennens übernehmen soll, den Menschen von der Negativität des Seins – soweit als möglich – zu befreien. An die Stelle des vormaligen monotheistischen Entwurfs der Freiheit als metaphysische Erlösung rückt das Projekt der physischen Entnegativierung allen Seins, das die Moderne in ihre eigene dialektische Erfahrungsgeschichte verstrickt. Es ist diese Dialektik der Freiheit, die es eigens aufzuzeigen und als Grundlage einer geschichtlichen «Erkenntnistheorie» freizulegen gilt, um die Frage nach der Geschichtlichkeit des Erkennens jenseits aller relativistischen und vernunftteleologischen Positionen neu zu eröffnen und der geschichtlichen Selbstbesinnung der Moderne zuzuführen. Wie steht es um die Freiheit der Moderne?