Ein Literaturbericht über die jüngere Forschung zur Vorgeschichte und Geschichte der Repubblica Romana (1798-1799)
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Die Untersuchung beleuchtet die unterschiedlichen Reaktionen katholischer Regionen Europas auf die revolutionäre Modernisierung Ende des 18. Jahrhunderts, insbesondere im Kontext der Republikanisierung des Kirchenstaates. Während die parlamentarische Demokratie und der religiös neutrale Staat in protestantischen Gebieten wie Holland und der Schweiz auf Zustimmung stießen, formierte sich in katholischen Regionen Widerstand. Die Analyse stützt sich auf umfassende kultur-, wirtschafts- und sozialhistorische Forschungsergebnisse zur Geschichte der Römischen Republik und deren Vorgeschichte.
Säkularisierung, Verwissenschaftlichung und Fortschritt galten lange als Grundtendenzen der neuzeitlichen Geschichte. Diese Auffassung wurde von der postmodernen Geschichtstheorie grundsätzlich in Frage gestellt. Ihrzufolge unterscheidet sich die Selbstinterpretation der Moderne als Zeitalter fortschreitender Verwissenschaftlichung nicht wesentlich von den mythischen Weltdeutungen, die die moderne Geschichtswissenschaft abzulösen vorgab. Der Autor verfolgt das Verhältnis der modernen Geschichtswissenschaft zu einer vormodernen Lebensform wie der der Religion von den Anfängen moderner Geschichtstheorie in der Aufklärung bis zur Postmoderne. Am Beispiel der Einschätzung der Zukunftsfähigkeit des Kirchenstaates im Zeitalter der Aufklärung soll verdeutlicht werden, wie das Konzept der Modernisierung, die im 18. Jahrhundert als Überwindung konfessioneller Staatlichkeit gedacht wurde, angesichts der Beharrungskraft von Papsttum und Katholizismus im Verlauf der letzten zweihundert Jahre revidiert wurde. Es zeigt sich, daß die moderne Geschichtswissenschaft ihre Haltung zur weltgeschichtlichen Rolle von Wissenschaft und Religion permanent revidiert hat. Im Anschluß an die postmoderne Kritik, die die moderne Wissenschaft als typisch neuzeitliches Machtinstrument versteht, werden die verschiedenen Deutungen des Gegensatzes von Papsttum und Aufklärung nach ihrem Verhältnis zu der politischen Auseinandersetzung um die Rolle von Wissenschaft und Religion in der Gesellschaft befragt. In Anlehnung an die postmodernen Kritiker, die die Erzählung vom wissenschaftlichen Fortschritt als neue Form des Mythos bezeichnen, werden die Geschichten von Papsttum und Aufklärung mit dem Instrumentarium der Erzählforschung untersucht. Die narratologische Untersuchung macht deutlich, wie die Verwendung bestimmter Erzählmodelle unabhängig von der politischen und konfessionellen Ausrichtung des Autors die Deutungen der geschichtlichen Rolle von Wissenschaft und Religion beeinflußt hat. Sie zeigt, daß sich die Geschichtsschreibung bei der Darstellung der Interaktion von Wissenschaft, Staat, Kultgemeinschaft und Individuum über den gesamten Untersuchungszeitraum der narrativen Schemata bedient hat, die schon den alttestamentarischen, christlichen und humanistischen Erzählungen von der geschichtlichen Rolle des »wahren Wissens« zugrunde lagen. Am Schluß legt Veit Elm dar, inwieweit die Kontroversen der Forschung auf politische Gegensätze bzw. auf die Unverbeinbarkeit der drei Erzählmuster zurückzuführen sind.
Die narrativistische Kritik am Wissenschaftsverständnis der Geschichtsschreibung und die Erweiterung der Wissenschaftsgeschichte zur Geschichte des Wissens haben die Auseinandersetzung mit der Geschichtsschreibung des 18. Jahrhunderts grundlegend verändert. Geschichtsschreibung und Geschichtsphilosophie werden als literarisches Phänomen wahrgenommen, deren Wissenschaftsansprüche im Kontext zeitgenössischer Wissensideale historisiert werden können. Trotz dieser Umbrüche folgt die Beschäftigung mit der Geschichtsschreibung in Deutschland weiterhin alten Mustern, wie der Gegenüberstellung von Aufklärung und Historismus sowie der Projektion gegenwärtiger Methodendiskussionen in das 18. Jahrhundert. Aufklärung wird oft mit Scientismus und Historismus mit dessen Kritik gleichgesetzt. Ziel dieses Bandes ist es, den eingeschränkten Blick auf die deutsche Aufklärung zu erweitern, die Gleichsetzung von Aufklärung und Scientismus zu hinterfragen und das Medium der Erzählung in den Fokus zu rücken. Dabei wird erinnert, dass sich die „philosophische“ Geschichtsschreibung im Frankreich des späten 17. Jahrhunderts entwickelte, als Cartesianismus, Pyrrhonismus und Enzyklopädik die Erzählung als Wissensmedium einer radikalen Kritik unterzogen. Die Beiträge beleuchten den Aufstieg der Erzählung im Laufe des Jahrhunderts vom Paria der Wissensordnung an deren Spitze.
Im Zuge der Wissensrevolutionen des 17. und 18. Jahrhunderts blieb der alte Wissensbesitz zentral für die religiöse, ethische, politische und wissenschaftliche Sozialisation der europäischen Eliten. Auch während der Aufklärung bildeten die Bibel und klassische antike Texte das 'Rohmaterial' für die Denkweisen der Protagonisten. Die Beiträge des vorliegenden Bandes untersuchen die Rolle der vorchristlichen und christlichen Antike in der neuen Wissensordnung und deren Einfluss auf die vermeintlich vorurteilsfreie Konstitution des neuen Wissens. Dabei werden verschiedene Bereiche wie Naturphilosophie, Naturwissenschaft, Politik, Geschichtsschreibung, Anthropologie sowie Literatur und Kunst betrachtet, um die regionalen Differenzierungen exemplarisch herauszuarbeiten. Diese Felder zeigen unterschiedliche Weisen, wie die Aufklärung mit der Antike umging, und verdeutlichen gleichzeitig, dass die Geschichte der Antike mit dem Sieg der Modernen in der Querelle des Anciens et Modernes nicht endet, sondern in der modernen Kritik neu beginnt. Das 18. Jahrhundert wird somit als Übergang von einer Vormoderne, die auf die christliche Heilsgeschichte verweist und sich an der antiken Zivilisation orientiert, zu einer Moderne erkennbar, die durch einen spezifisch modernen Rückgriff auf die Antike neue Denkweisen und gesellschaftliche Verfahren entwickelt.