In einem Literaturarchiv gibt es mehr als nur Buchstaben und mehr als nur ein ein-ziges Schriftsystem: Es gibt Zahlen und Bilder, Geheim-, Privat- und Computersprachen, die Sprachen der Farben und Papiere, der Spuren und Abdrücke. Verstehen wie Missverstehen gehören zu diesen Zeichen und Sprachen, so wie zum literarischen Text der mehrfache Schriftsinn gehört und zum Archiv das Entzifffern und Rätseln, Staunen und Wundern. Wenn Schriftstellerinnen und Schriftsteller die Codes ihrer Zeit und der Literatur aufgreifen, so weil sie Texte erschaffen möchten, die Verstehensprozesse auslösen, mit denen etwas entsteht, was sonst nicht da wäre: Zeichen lösen Handlungen, Wahrnehmungen und Gefühle aus, markieren Wege, Grenzen und Verknüpfungen, kommunizieren mit Menschen und Maschinen. Das vorliegende Magazin begleitet die gleichnamige Marbacher Ausstellung und ist zugleich ein eigenständiges Kompendium zum Thema Zeichensysteme in der Literatur. Exhibition: Literaturmuseum der Moderne, Marbach am Neckar, Germany (07.11.2021 - 24.04.2022)
Vera Hildenbrandt Knihy


Abgedreht
Literatur auf der Leinwand
Das Deutsche Literaturarchiv Marbach sammelt seit den 70er-Jahren systematisch Literaturverfilmungen und Drehbücher, Entwürfe, Treatments und Szenarios zu Filmprojekten. Das Marbacher Magazin zur gleichnamigen Ausstellung wirft einen Blick in diese Bestände und präsentiert Materialien zu den Filmen 'Der blaue Engel' (1930), 'Das doppelte Lottchen' (1950), 'Jonas' (1957, unter Mitwirkung von Hans Magnus Enzensberger) sowie zu Thomas Strittmatters 'Der Polenweiher' (1986), 'Malina' (1991) und 'Babylon Berlin' (2017ff.). Ergänzt durch Rezeptionszeugnisse und Filmkritiken der ersten Kinogänger wie Jakob van Hoddis, Kurt Tucholsky und Yvan Goll sowie filmgeschichtliche und -theoretische Dokumente wird das Thema 'Literaturverfilmung' im Spannungsfeld von Filmindustrie und zeitgenössischer Literatur in seiner Vielfalt deutlich. Michael Tötebergs eröffnender Essay unter dem Titel 'Das Kino der Autoren' schlägt den thematischen Bogen von den 20er-Jahren bis in die Gegenwart.