Knihobot

Jonas Frick

    Rasender Stillstand in der Zwischenkriegszeit
    Politik der Geschwindigkeit
    • Politik der Geschwindigkeit

      Gegen die Herrschaft des Schnelleren

      Wer heute über eine größere Geschwindigkeit verfügt, besitzt einen politischen und finanziellen Vorteil. Als neues Qualitätsmerkmal ist Geschwindigkeit mehr als nur ein physikalischer Begriff. Sie bildet ein gesellschaftliches Verhältnis, das im ununterbrochenen Wettkampf um Höchstgeschwindigkeit eine neue kinetische Elite wie auch Ausgeschlossene hervorbringt. In der Dromokratie, der Herrschaft des Schnelleren, wird der Geschwindigkeitswettbewerb zum Taktgeber einer Gesellschaft, die niemals stillstehen darf. Der Drang nach Höchstgeschwindigkeit prägt das unternehmerische und persönliche Handeln, während der Staat zum Geschwindigkeitsmanager wird. Er sorgt sich um die Infrastruktur für das maximale Tempo des Waren- und Menschenverkehrs und er bestimmt, welcher Gruppe welche Geschwindigkeit zugesprochen wird. Wer die zentralen Dynamiken des 21. Jahrhunderts verstehen will, muss sich mit der Geschwindigkeit beschäftigen. Und wer sich deren Zwänge entziehen will, muss sie politisieren.

      Politik der Geschwindigkeit
    • Rasender Stillstand in der Zwischenkriegszeit

      Zur Dialektik der Beschleunigung und Beschleunigungswahrnehmung

      In der Moderne schließen sich Beschleunigung und Stillstand nicht aus, sondern müssen in ihrer gegenseitigen Komplementarität gedacht werden. Modernisierungsprozesse bringen vielfältige Beschleunigungserfahrungen mit sich. So ist die Zwischenkriegszeit geprägt durch das Aufkommen der Schicht der Angestellten, ihrer Kultur und dem rasenden Leben in den Großstädten wie auch von industriellen Rationalisierungsbestrebungen, Zuständen gefühlter Entfremdung und ökonomischen Rezessionen. Mit Blick auf die darin stattfindenden Erfahrungen zeigt sich, dass dort, wo sich Ereignisse beschleunigen oder eine technologische Dynamik entfacht wird, immer auch Momente der Stauung, der Überhitzung oder der Zerstörung lauern. Anhand solcher Phänomene lässt sich beobachten, wie sich die beiden Zustände, der der Beschleunigung und der des Stillstands, nicht etwa ausschließen, sondern in ihrer sich gegenseitig beeinflussenden Komplementarität gedacht werden müssen. Das Ergebnis ist das nur scheinbar paradoxe Phänomen des rasenden Stillstandes, das sich in Reportagen über das Berliner Sechstagerennen, Kafkas Romanen und Kurzgeschichten, Bernhard Kellermanns Tunnel-Roman, der Angestelltenliteratur von Gabriele Tergit oder Martin Kessel und vielen weiteren Texten offenbart.

      Rasender Stillstand in der Zwischenkriegszeit