Gerhart Baumann Knihy






Die Dichtungen des bedeutenden österreichischen Dichters Robert Musil verlangen ein »besonderes« Lesen. Die ungewöhnliche Beziehungsdichte der dargestellten Gedankengänge, Figuren und Geschehnisse, die bewußt gewählte Vielbezüglichkeit der Worte bergen je eine Fülle von Bedeutungen in sich. Sie konfrontieren den Leser mit der Forderung nach steter Reflexion und fortwährender Auseinandersetzung mit den Texten. Gerhart Baumann, einer der bedeutendsten Germanisten unserer Zeit, hat sich in sieben Kapiteln dem Schaffen Musils genähert. Er verliert hierbei aber niemals die Problematik der Vielzahl von Möglichkeiten aus den Augen, die sich durch die Musilschen Gestaltungselemente in ihren Wechselbeziehungen und Gegenwirkungen ergibt. Der Musil-Kenner erfährt durch Baumanns Überlegungen neue Aspekte der Texte. Für jenen, der sich erstmals an das Werk dieses Dichters heranwagt, sind sie eine wertvolle Orientierungshilfe bei dem Versuch, die atmosphärisch dichte Form zu durchdringen.
Die Buchreihe TREDITION CLASSICS des Verlags tredition aus Hamburg bringt Werke aus über zwei Jahrtausenden zurück in den Druck, die oft vergriffen oder antiquarisch waren. Ziel ist die Bewahrung der Literatur und Kultur, um Klassiker der Weltliteratur nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.
Formen der Sprache und die Sprache der Formen – unablässig zeitigen sie Wechselwirkungen, – desto umfassender je weiter ihre Handschrift Vielwertiges versammelt. Möglichkeiten, Aufrisse vereinigen Einzelnes zu einem Ganzen. Schöpfungen der Einbildungskraft vergegenwärtigen sich, - Schöpfungen, die im Persönlichen zugleich das Überpersönliche aufscheinen lassen. Sie wirken unmittelbar, zugleich indessen in jenen Vermittlungen, die Abstände gewähren, Zusammenhänge erkennen lassen, die man zunächst kaum vermutet, – Skizzen, die versuchen ein Ganzes vorzustellen, vieldeutige Möglichkeiten offen zu halten. In dieser Hinsicht bewahren sich auch Vor- und Nachworte etwas Skizzenhaftes. Studien u. a. zu Goethe, Eichendorff und Mörike.
Zuordnungen entwirft man bewußt, man findet sie vor, zuweilen stellen sie unwillkürlich sich ein. Ihr erschließendes Vermögen bewährt sich vornehmlich darin, das Nacheinander in einem Nebeneinander auszufalten. Das Vielwertige, das Gestalten, Vorstellungen, Ideen auszeichnet, offenbart dabei überraschende Entsprechungen. Verwandtschaften zwischen weit Auseinanderliegendem werden sichtbar, aber auch jene Gesetze, die vielgesichtige Zusammenhänge hervorrufen, Möglichkeiten freisetzen. Zuordnungen ermöglichen Annäherungen an Schaffensvorgänge und erschließen Auslegungen der Schöpfungen. Sie machen sichtbar, wie alles aus Gestalt und Geist des Ganzen und nicht aus dem Bedürfnis des einzelnen hervorgeht. Sie lassen erkennen, daß jede einzelne Abwandlung sich im Ganzen auswirkt. Zuordnungen decken die Struktur eines Gesamtwerkes ebenso auf wie das Wesen eines Selbstentwurfs und Begegnungen, Beziehungen zwischen Gegenständen und Epochen, jene Abwandlungen zugleich, welche eine verborgene Beständigkeit bewirken.
Wiederholt weist Goethe darauf hin: „Wie in Rom außer den Römern noch ein Volk von Statuen war, so ist außer dieser realen Welt noch eine Welt des Wahns, viel mächtiger beinahe, in der die meisten leben.“ Was der Dichter in dieser erregenden Erkenntnis anspricht, erfährt man täglich in der Welt des Geschriebenen; ihre Bedeutung ist unabsehbar und nicht zu überschätzen. Dabei gilt es zu bedenken, daß die bedingungslose Unterscheidung zwischen Wirklichkeit und Unwirklichkeit nicht nur fragwürdig ist, vielmehr weder der Welt um uns noch derjenigen in uns gerecht zu werden weiß.