Die demografische Katastrophe ist das Schreckbild unserer Zeit. Allenthalben wird vor dem Untergang unserer Gesellschaft gewarnt. Angeblich drohen uns heftige Generationenkonflikte, Verteilungskämpfe, der Kollaps der Sozialsysteme. Karl Otto Hondrich hält dagegen: Der Fall der Geburtenrate wirkt sich positiv auf Individuen und Gesellschaft aus. Er ist die beste Antwort auf Probleme, die aus gesellschaftlichen und biologischen Entwicklungen entstanden sind, und er schafft seinerseits keine Probleme, die nicht zu bewältigen wären. Seien wir also gelassen: Der Geburtenrückgang verändert die Spezies Mensch – und stärkt ihre Fähigkeit zu überleben.
Die Bedeutung des politischen Skandals für die Normalität der Demokratie kann kaum überschätzt werden. Als Instrument der Herrschaftskontrolle und des Machtwechsels packt der Skandal spontaner und oft wirksamer zu als reguläre Wahlen. Er zeigt Politik als Aufstieg und Fall von Personen – und gewährt damit Einblick in unpersönliche Funktionsweisen und Dilemmata der Politik. Er erzeugt Empörung über die Verletzung von Normen – und schärft damit das Gefühl für deren Wichtigkeit und Richtigkeit. Er deckt Grenzüberschreitungen auf – und wird so zum Grenzwächter zwischen den Sphären der Politik, der Wissenschaft und des privaten Lebens. Skandale gelten als Beleg für einen Mangel an Moral. Sie selbst sind aber hochmoralische Ereignisse, ja Institutionen. Über Enthüllung, Entrüstung und Sühne entfesseln sie einen Sturmwind moralischer Gefühle, vor dem Wirtschaft und Politik in die Knie gehen. So bezeugen und bestärken Skandale die Macht der Moral, deren Fehlen sie beklagen. Gäbe es keine Skandale, müßten sie erfunden werden.
Dieser Band beschäftigt sich mit den verschiedenen Visionen und Versionen des Neuen Menschen: dem individualisierten, dem kommunizierenden, dem genetisch verbesserten Menschen. Alle Essays haben gemeinsam, daß sie den sozialen Utopien und Atopien der letzten Jahre ihre Grenzen aufweisen. Karl Otto Hondrich zeigt, daß die sozialen Prozesse und Gesetzmäßigkeiten, die unweigerlich kultur- und fortschrittsunabhängig ablaufen, wo immer Menschen miteinander in Beziehung treten, letztlich alle Ideen eines grundsätzlich anderen Menschen oder anderen Lebens zunichte machen. Die Tatsache der Sozialität selbst, die Eigengesetzlichkeit der Gesellschaft ist mächtiger als alle Politik, Pädagogik, Technologie, ja sogar Genetik. Mit der Ausarbeitung dieser Grundthese, aus der alle Essays ihren Zusammenhang beziehen, erdet Hondrich die Zeitdiagnostik an der Zeitlosigkeit elementarer soziologischer Einsichten und gewinnt damit der Soziologie im öffentlichen Diskurs eine Relevanz zurück, deren Verlust sie sonst immer larmoyant beklagt.
Wie verändern sich soziale Beziehungen in der Welt von heute? Nach gängiger Meinung verwandeln sie sich mehr und mehr von angeborenen in selbstgewählte Bindungen. Daß die Menschen so schlicht zur Freiheit fortschreiten, gehört in den Bereich der modernen Mythen. Anders als wir annehmen, streben Herkunftsbindungen keineswegs ab. Im Gegenteil, ihre Macht wird größer, je schneller sich die Gesellschaft verändert. So bindet etwa, als paradoxes Beispiel, die hohe Zahl an Scheidungen, also die Auflösung von individuellen Wahlbeziehungen, die Menschen wieder vermehrt an ihre nichtgewählten Herkunftsgruppen. Die Institution der Ehe wird durch die vielen Scheidungen ebenfalls nicht geschwächt. Eher wird der einzelne, unzureichende Partner individuell aufgegeben als die kollektive Idee von Liebe und Gemeinschaft. Warum tun wir uns denn so schwer, die Wirklichkeit und Wirkungsmacht der Gefühle zu akzeptieren? Dieser Frage geht Karl Otto Hondrich in den acht Essays dieses Bandes nach. Implizit wird dabei eine zentrale theoretische Botschaft anschaulich: Allen Individualisierungen, Rationalisierungen und Trennungen zum Trotz – kollektive Emotionen sind das Herzstück und die bewegende Kraft allen, also auch des rational gezügelten sozialen Lebens.
Aus tiefster Ächtung ist der Krieg in der westlichen Welt binnen kurzem wieder zu starker Beachtung gelangt: als Krieg gegen den Terrorismus, als Krieg für das Völkerrecht, als Krieg für Menschenrechte und Selbstbestimmung auf dem Balkan. Die Karriere des Krieges innerhalb eines Jahrzehnts zeichnet das Buch nach: als Geschichte geteilter Gefühle zum Krieg. Denn kollektive moralische Gefühle, die von vielen geteilt werden und im Konflikt zu den Gefühlen anderer stehen, sind grundlegende Bewegungskräfte des sozialen Lebens, im Frieden wie im Krieg. »Lehrmeister Krieg« reißt uns aus unseren Gefühlsverankerungen und lehrt uns das, was wir im Frieden nicht lernen wollen. Mit den Zielen der Kriegsführenden ist es nie identisch. Es erschließt sich, wenn überhaupt, im Nachhinein, in den unerwünschten und schmerzlichen Folgen von Kriegen: in der Erfahrung der Grenzen von Macht, in der Revision von Macht- und Zielvorstellungen, in der Lösung von Konflikten oder in der Einsicht, daß man mit ihnen leben muss. Die neuen Kriege schaffen und bestärken Nationalstaaten, deren Ende wir gekommen sahen, und sie schaffen übernationale Gefühls- und Gewaltgemeinschaften als Ordnungskräfte der Weltgesellschaft. Der jeweils neueste Krieg scheint immer ein ganz anderer zu sein. Das Buch zeigt aber auch, wie sich die Kriege gleichen, wie sie sich erschöpfen und wie begrenzt die Macht des Krieges ist.