Rainer Bro del Knihy






Lebensbegleitendes Lernen ist durch Vorgänge der Entgrenzung mit dem Wandel gesell-schaftlicher und pädagogischer Verhältnisse verflochten. Begriffe wie Kompetenzentwick-lung, informelles Lernen oder Lebensführungsarbeit lenken den Blick auf die Bildungs-subjekte und das Potenzial an Eigenleistungen der Lernenden. Damit verbindet sich die Frage nach einem Lernkulturwandel, der auch die Bildungsorganisationen und deren Ar-beitsorientierungen erfasst. Gefordert sind erwachsenenbildnerische Innovationen, die mit einem generell steigenden Legitimationsbedarf des pädagogischen Dienstleistungsangebots einhergehen. Dafür ste-hen Begriffe wie Qualitätsentwicklung oder Wissensmanagement. Beleuchtet wird darüber hinaus die Entwicklungstendenz, dass die arbeitsweltbezogene und betriebliche Kompe-tenzentwicklung im Rahmen des lebensbegleitenden Lernens und der Erwachsenenbil-dung an Gewicht gewinnt.
Gegenwärtig vollzieht sich eine Umstrukturierung der Weiterbildung zu einer gesellschaftlich geöffneten Sicht und einer pluraler ausgelegten Praxis des Erwachsenenlernens. Dieser vielschichtige Vorgang führt zur Wiederbelebung einer erwachsenenpädagogisch relevanten Projektforschung. Dabei bildet sich ein neuer Typus von prozessorientierter Begleitforschung im Hinblick auf die Entwicklung innovativer Lernformen und Lernkulturen heraus. In diesem Band interessiert insbesondere die Rekonstruktion und Reflexion aktueller Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen, die sich auf die Region als Infrastruktur und Kultur des Lernens beziehen. Zu diesem Zweck führte an der Universität Münster ein Forschungsteam unter Leitung von Prof. Dr. Rainer Brödel eine Forschungs- und Expertentagung durch. Dies geschah in Kooperation und mit Unterstützung der Arbeitsgemeinschaft für Betriebliche Weiterbildungsforschung e. V., Berlin. Dokumentiert werden zentrale Beiträge und Diskussionseinschätzungen sowie darüber hinausgehende Analysen zu den Vorgehensweisen, methodologischen Problemstellungen und Rollenanforderungen einer interaktions- und reflexionsorientierten Begleit- und Evaluationsforschung im Feld von Region, Erwachsenenlernen und Lernkulturentwicklung.
In der über 150-jährigen Entwicklungsgeschichte der deutschen Erwachsenenbildung spielten Anregungen und Erfahrungen aus europäischen Nachbarländern schon immer eine Rolle. Mit der staatlichen Etablierung Europas in den 1990er Jahren beginnt für die deutsche Erwachsenenbildung eine neue Dimension von Internationalität: Grenzüberschreitende Kooperation einschließlich der Förderung von Europakompetenz bestimmen zunehmend den erwachsenenpädagogischen Berufsalltag. Damit wächst das fachliche Interesse an den europäischen Nachbarstaaten und grenzüberschreitender Ideentransfer erhält für die Zukunftsfähigkeit des Weiterbildungsbereichs eine existentielle Bedeutung. Hier nehmen 22 deutsche und internationale Autor/innen dieses steigende Orientierungsbedürfnis auf. So thematisiert der Band die Erwachsenenbildung/Weiterbildung in Deutschland, hier besonders in Schleswig-Holstein, in Dänemark, Polen, Litauen, Tschechien und aus der Sicht der UNESCO.
InhaltsverzeichnisEinführung: Erwachsenenbildung in der gesellschaftlichen Moderne.I. Erwachsenenpädagogische Diagnosen gesellschaftlicher Modernisierung.Sozialstruktur und Erwachsenenbildung: Lebenslagen, Lebensstile und soziale Milieus.Die Relationierung von Wirklichkeiten als Aufgabe moderner Erwachsenenbildung — wissenstheoretische und konstruktivistische Beobachtungen.Das Fremde als Lernanlaß: Interkulturelle Kompetenz und die Angst vor Identitätsverlust.Lehren und Lernen unter den Bedingungen von Unverbindlichkeit und Autoritätsverlust.Zur Institutionalisierung des quartären Bildungsbereichs am Beispiel von Nordrhein-Westfalen.Strukturwandel staatlicher Weiterbildungsfinanzierung.II. Verständnis und Ansatz von Bildung in der gesellschaftlichen Modernisierung.Von der alltäglichen Koedukation zu einer geschlechtsbewußten Erwachsenendidaktik.Die Bildung älterer Erwachsener als kulturelle Modernisierung.Modernisierungsimpulse gewerkschaftlicher Kulturarbeit.Lernen und Bildung Erwachsener im Wertewandel der ostdeutschen Gesellschaftstransformation.Erwachsenenbildung im Kontext europäischer Perspektiven.III. Selbstvergewisserungen — Beiträge zur Modernisierung der Erwachsenenbildungstheorie.Geschichte der Erwachsenenbildung im Kontext gesellschaftlicher Modernisierung.Professionalität in der Erwachsenenbildung — Bedingungen einer Gestaltungsoption.Konstruktivistische (Theorie-)Ansichten der Erwachsenenbildung.Von einer Bildungsinstitution zur Infrastruktur subjektiver Lebensführung — Teilnehmer- und aneignungstheoretische Sichten der Erwachsenenbildung.Verzeichnis der Autorinnen und Autoren.
Der Band verknüpft professionstheoretische Anliegen der Erziehungswissenschaft mit empirischen Ergebnissen zum lebenslangen Lernen, zur Beratung und zum Lernen und Lehren mit Medien. Studien aus der biografischen Forschung und der komparativen pädagogischen Berufsgruppenforschung bilden einen weiteren Schwerpunkt. Alle Beiträge wurden in einem Tandem-Prinzip erstellt: Jede vorgestellte Forschungsfrage wird von einem ehemaligen Promovenden Professor Dr. Dieter Nittels und einem prominenten Vertreter aus der Erziehungswissenschaft bearbeitet. Damit spiegelt der Band, der zum 60. Geburtstag von Dieter Nittel erscheint, das umfassende Forschungsspektrum des Jubilars wider.
Wie viel Engagement wird in das eigene lebenslange Lernen investiert? Welche individuellen und sozialen Faktoren bestimmen das Weiterbildungsverhalten? Welche Rückschlüsse können für die regionale Weiterbildungslandschaft gezogen werden? Erstmals liegen Daten aus Nordrhein-Westfalen vor, die diese Fragen aus dem Blickwinkel der Erwachsenenbildungswissenschaft beantworten. Differenziert nach zentralen Merkmalen der sozialen Lebenslage und lebensphasenspezifischen Handlungskontexten untersuchen die Autoren das formelle und informelle Lern- und Weiterbildungsverhalten der nordrhein-westfälischen Bevölkerung. Im Fokus der empirischen Untersuchung stehen die Belastbarkeit und die Bereitschaftspotenziale hinsichtlich der eigenen Weiterbildungsfinanzierung vor dem Hintergrund der sinkenden öffentlichen Unterstützung. Weiterbildungssparen ist eines der wichtigen und aktuell behandelten Schlagwörter.