Die Geschichtlichkeit menschlichen Daseins kulminiert in den Perioden epochaler Ubergänge, die stets auch dadurch gekennzeichnet sind, daß in ihnen sich die großen Gegensätze des Lebens zu unauflöslichen Antithesen zuzuspitzen drohen. Der Umgang mit der Antithese nicht nur als Sprachfigur, sondern als zentraler Herausforderung theoretischer und praktischer Urteilskraft gehört seit alters in das Aktionsfeld der Rhetorik. In diesem Buch geht es um die Erschließung der innigen Verflechtung der Rhetorik als Dimension der Sprachkunst ebenso wie als theoretischer Disziplin mit den Grundfaktoren abendländischer Geschichtlichkeit: mit der mythologisch geprägten Dichtung der Antike und der ihr komplementären Mysterienreligion, mit der christlichen Theologie, mit der neuzeitlichen Wissenschaft und ihrer romantischen Transformation zur Ästhetik. Die Arbeit ist als Beitrag zur Geschichte der Rhetorik sowohl durch Neuerschließung von Materialien als auch durch Erweiterung ihres Problemhorizonts konzipiert. Aus einer detaillierten Analyse der Verflechtung von Rhetorik und Hermeneutik erhellt, wie die geisteswissenschaftliche Methodenreflexion von dem hier erschlossenen Gebiet her weitere, für die Interpretation neuzeitlicher Dichtung und Poetologie ertragreiche Anstöße empfangen kann.
Jörg Villwock Knihy






Überzeugen, Bewegen, Wirken und Beeindrucken, das sind Seinsweisen und Ziele, von denen der Mensch als solcher nicht ablassen kann. So betrifft Rhetorik das humane Wesen im Kern und verbindet sich mit den auf dieses gerichteten Bestrebungen der Philosophie und der Dichtung. Es geht also nicht um die Schematismen eines Lehrfachs und deren lexikalische Erläuterung. Rhetorik gehört vielmehr zu den „Sachen selbst“, sie begegnet in den Phänomenen des organischen und des geistigen Lebens, in der philosophischen Abhandlung ebenso wie in der Musik, im Gedicht, im Drama, in Epos und Roman. Sie ist Bestandteil dessen, was den Menschen von der Welt her zur Welt öffnet und bildet, indem sie ihn die großen Seinsgesetze lehrt, die Gesetze der Entsprechung und Polarität, dies allerdings nur, sofern er es gelernt hat, von ihr zu lernen, sozusagen mit dem Rhetorischen in sich das Rhetorische außer sich produktiv zu erfahren. Das vorliegende Buch versucht, die wesentlichen Aspekte eines solchen Weltbegriffs der Rhetorik auf dem Wege kritischer Auseinandersetzung und Interpretation kenntlich zu machen.
Das Buch zielt darauf ab, die abendländische Dichtung und Philosophie als Quellen der geistigen Sinngehalte zu erforschen, die unter dem Namen „Eleusis“ verborgen sind. Es befreit die Dichtung aus der „babylonischen Gefangenschaft“ der akademischen Disziplinen, die ihre Entwicklung behindern. Dichtung wird nicht als Politik oder psychoanalytisches Material betrachtet, sondern als eine Bewegung des menschlichen Denkens, die die Gesetzlichkeit hervorbringt, in der die Humanität verwurzelt ist. Es geht um die Aufhellung einer Wirklichkeit, ähnlich der Erkundung unsichtbarer Lichtbereiche. Zeichen spielen eine zentrale Rolle, wobei das eleusinische Kunstwerk, die griechische Tragödie, die Verbindung von Aufklärung und Religion im fünften vorchristlichen Jahrhundert indiziert. Eleusis bedeutet eine Wissenschaft, die aus Erfahrung schöpft, jedoch nicht empirisch ist. Sie vermittelt Wissen aus singulärer, nichtempirischer Erfahrung, die auf Vertrauen basiert. Diese Wissenschaft bleibt an individuelle Autorschaft gebunden, wobei Gaius Caesar und Mutter Teresa als repräsentative Figuren gelten. Die zentralen Themen der eleusinischen Wissenschaft sind Natur, Geist, Liebe, Wille, Chaos und Sein, die sich im Absoluten bewegen und von Denkern wie Goethe, Hegel, Hölderlin, Schelling, Nietzsche und Heidegger entwickelt wurden. Der Fokus liegt auf dem „Wie“ des Erfahrens und dessen Umsetzung in Erkenntnis, nicht auf dem „Was“.
Wer Betrachtungen über Schaffens- und Zerstörungswelten versucht, muss wissen, dass die Begegnung mit dem Unheimlichen hier zum Pensum gehört. Die Idee der „schöpferischen Zerstörung“, die Joseph Schumpeter einst in die Nationalökonomie einführte, bezeichnet, mag man ihren volkswirtschaftlichen Wert als sozialtechnologische Konzeption auch skeptisch beurteilen, in jedem Falle aber einen geisteswissenschaftlich relevanten Zusammenhang, der die Aufmerksamkeit des Denkens beansprucht. Jörg Villwock unternimmt den Versuch, entsprechenden Bemühungen zunächst die Erfahrungsbasis sowie die Weite des Problemblicks zu vermitteln. Dass dies in Gedankenfragmenten geschieht, reflektiert die Intuition der Universalität, des aufs Ganze von Natur und Geistesgeschichte gerichteten Charakters der Fragestellung. Es geht nicht gerade um das, was man in den auf die Vereinigung von Quanten- und Relativitätstheorie sinnenden und so die Korrespondenz zwischen Mikrokosmos und Makrokosmos zu erneuern strebenden Rechenzentren der theoretischen Physik heute gerne „Weltformel“ nennt, aber doch durchaus um Weltgesetzlichkeiten von durchgreifender, wenn auch zahlenmässig nicht fassbarer, Bestimmungskraft, angesichts deren der Geist der eigenen Organe sich zu versichern hat, anstatt der Hilfe von Computern zu vertrauen.
Ist unser Sein ein Heimischsein auf dieser Erde oder ein Unheimischsein, das uns zu kosmischem Nomadentum bestimmt? Um in dieser Fragerichtung weiterzukommen, gilt es, das musikalische Denken vernehmen zu lernen, das im Seienden selbst waltet und an dem die Bezüge jenseits der Wesensdifferenz haften: die Bezüge der Gestalt und der Tonart. Wir sprechen hinsichtlich des Gesamtkomplexes der unsere geschichtliche Lage bezeichnenden Veränderungen vom „grossen Übergang“. Zu seinem Bilde gehören nicht zuletzt die vielen Überraschungen, die die Wissenschaft der letzten dreissig Jahre gezeitigt hat, Überraschungen, durch die bestgeglaubte Annahmen der vormaligen Wissenschaft der Neuzeit ins Reich der Träume verwiesen wurden. Richtet man auf diese Durchbrüche der Naturwissenschaft eine geisteswissenschaftlich orientierte Aufmerksamkeit, so zeigen sich zum einen ungeahnte Konvergenzen mit Einsichten der altgriechischen Philosophie. Zum anderen tritt in den Blick, dass die zumeist durch neueste Technik vermittelten Erkenntnisse ins Absolute dadurch sich erheben, dass sie die Einseitigkeiten vorheriger Auffassungen überwinden. Vor dem Hintergrund dieser einschneidenden Veränderungen unternimmt das vorliegende Buch den Versuch, Naturvergleiche mit z. T. sehr langer Tradition in ein neues Licht zu rücken, um ihnen Aufschluss über unsere geschichtliche Lage im grossen Übergang abzugewinnen.
Die Familie ist mehr als nur ein Thema, ein wiederkehrendes Motiv der abendländischen Dichtung und Philosophie. Sie ist eine Schlüsselerfahrung, in der auch und vor allem das Verständnis des Geistes als einer Wirklichkeit aufgeht, die zur Vereinigung von Religion und Wissenschaft drängt. Als solche die eleusinische Aufgabe zugleich bergende und entbergende Werke untersucht das Buch vor dem Hintergrund einer Skizze römischer Erfahrungsweisen des familialen Bezugs die Tragödien des Sophokles, Augustins „Bekenntnisse“, Hegels „Phänomenologie des Geistes“ sowie Hölderlins Lyrik.
Die traditionellen Orte detaillierter Reflexionen über Metaphorik sind die Rhetorik, die Poetik und die Topik. Daneben aber behauptet sich seit Platon und Aristoteles eine andere Untersuchungsrichtung, die, in der Hauptsache metaphysischen Intentionen folgend, das Metaphernproblem ebensowohl mit der Kategorienfrage wie mit der nach Dynamis und Energeia, endlich auch mit den Fragen nach der Wahrheit und nach dem Seinsmodus des Kontingenten in Verbindung bringt. Wider den Anschein der völligen Unbezüglichkeit dieser Thematisierungsansätze bemüht sich die vorliegende Arbeit um den Aufweis ihrer inneren Verflochtenheit, wobei sie durchgängig an der systematischen Aufgabe einer prinzipiellen Fundierung der Metaphorologie orientiert ist.