Wahrheiten und Mehrheiten
Kritik des autoritären Szientismus
Kritik des autoritären Szientismus
Wissenschaft in Zeiten von Populismus, Moralisierung und Szientokratie
Pluralistische Gesellschaften sind voller Andere vertreten andere Positionen, Moralen oder Rationalitäten als man selbst. Sachlich falsche Entscheidungen können demokratisch legitim sein. Freiheit braucht das zivilisierte politische Streiten. Und nicht einmal die Wissenschaften könnten es schlichten, denn ihr Wissen ist in gewisser Weise stets vorläufig. Gegen solche Komplexität wird derzeit Durch populistische Provokationen; durch überschießende Moralisierung; durch szientokratische Vereinfachung, welche Politik bloß als Exekutierung klarer wissenschaftlicher 'Lösungen' versteht. Konkrete Beispiele, an denen dies hier gezeigt wird, reichen von Corona über Trumps Tweets und öffentliche Wissenschaftsdebatten bis hin zu akademischen Rederegimen. Zugleich argumentiert der langjährige Wissenschaftsratsvorsitzende und Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Peter Strohschneider, dafür, dass wir uns den gesellschaftlichen und politischen Zumutungen des Pluralismus stellen müssen. Und das heiß mit Vorbehalten leben, Irritationen produktiv machen, Kontingenz und Mittelbarkeit auch als Voraussetzung von Freiheit und Modernität verstehen. Ein Plädoyer für die Pluralismuszumutungen moderner Gesellschaft. Ein engagierter Essay der Verteidigung unserer liberalen Demokratie.
Die Beiträge des DFG-Symposions 2006 fragen nach den Möglichkeitsbedingungen dessen, was die Literaturwissenschaft als mittelalterliche und frühneuzeitliche „Literatur“ kennt: Diese konstituiert sich überwiegend in Bezug auf religiöse Rede und Praxis sowie in Unterscheidung von ihr. Dabei spielen semantische wie wissensgeschichtliche, kommunikationspragmatische wie medienanthropologische Bezugsebenen gleichermaßen eine Rolle. Tiefgreifende Wandlungen im Verhältnis der vormodernen epistemischen und institutionellen Ordnungen des Literarischen und des Religiösen treten in den Einzeluntersuchungen aus der Germanistischen Mediävistik und Frühneuzeitforschung sowie aus Anglistik, Geschichte, Kunstgeschichte, Romanistik, Soziologie, Theologie- und Kirchengeschichte je exemplarisch in den Blick. Nicht zuletzt werden solche Wandlungen am „Anderen der Kommunikation“ beobachtet: an jenen Über-Sprüngen in die Transzendenz oder an Präsenzeffekten des Repräsentationellen, deren Erschließung zugleich Rücksicht auf die Geltungsansprüche und Sozialdimensionen von literarischer und religiöser Kommunikation voraussetzt. Insofern geht es stets auch um eine aktuelle Standortbestimmung der Kultur- und Literaturwissenschaften.
Philologien im Spannungsfeld von Wissenschaft und Gesellschaft
Philologische Disziplinen elaborieren kulturelle Komplexitäten und Kontingenzen. Das institutionelle Paradigma, in dem sie operieren, wird demgegenüber zunehmend von Forschungspolitiken geprägt, die für dieses Vorhaben riskant sein können. Reflexion auf die intrinsischen Bedingungen philologischen Wissens zeigt, dass diese Disziplinen – wie Forschung überhaupt – unter reduktionistische Forschungspolitiken nicht subsummiert werden können. Der Autor fragt in diesem Heft, wie sich philologische Forschung und Gesellschaft überhaupt zueinander verhalten. Philologies are disciplines that elaborate cultural complexities and contingencies. The institutional paradigm, in which it fits, however, is driven increasingly by research policies that may have an unsafe impact on such an endeavor. Investigating on the intrinsic conditions of philological knowledge shows that these disciplines – in as much as research at large – cannot be subsumed by reductionist research policies. It is time to wonder then, how philological research and society meet each other anyhow.
Dieser Text ist die erweiterte Fassung des Vortrages, der an der Universität Konstanz anlässlich der Verleihung der Ehrenbürgerwürde der Universität an Altrektor Gerhart von Graevenitz am 11. Juli 2014 gehalten wurde.
Was ist der Möglichkeitsraum höfischen Textwissens? Wie konzipieren die Adelskulturen des Hochmittelalters ihre narrativen Selbst- und Weltauslegungen? An welchen Mustern des Medialen und des Textuellen bilden sie dabei ihre Kategorien? Einen Zugang zu diesen Fragen ermöglichen die Selbstentwürfe romanhaften und hagiographischen Erzählens (vom 'Rolandslied' über Konrad von Heimesfurt, Wolfram, Konrad von Würzburg, den 'Prosa-Lancelot' oder das 'Passional' bis hin zum 'Rappoltsteiner Parzifal'). Sie werden hier im Rahmen aktueller Theoriedebatten als Höfische Textgeschichten verstanden. Dabei treffen diese Beiträge zu einer Historischen Kulturwissenschaft vom Text u. a. auf einen Roman mit Offenbarungscharakter, auf magische Schriftfunktionen und Paradoxien von Augenzeugenschaft, auf die phänomenale Anwesenheit des Bezeichneten im Zeichen oder auf eine den Leser ereignishaft involvierende Kraft der Erzählung - und in alledem auf überraschende Perspektiven in der Geschichte der Texttheorie
Mit dem Begriff des «Ritterromantischen» werden gewöhnlich einige spätmittelalterliche Texte zusammengefasst, zu deren besonderen Kennzeichen die Orientierung an den literarischen und ideologischen Strukturen volkssprachiger hochhöfischer Epik gehört. Die Arbeit untersucht die besonderen Formen, in denen dieser sogenannte ritterromantische Rückgriff auf literarische Traditionen im «Mörin»-Roman Hermanns von Sachsenheim, im «Persibein» aus Ulrich Fuetrers «Buch der Abenteuer» und in Kaiser Maximilians I. «Teuerdank» jeweils ästhetisch gestaltet wurde; sie zeigt so die Vielschichtigkeit eines höfisch-aristokratischen Überlieferungskomplexes, dem bislang allzusehr das Etikett spröder Gleichförmigkeit anhaftete. Darüber hinausgehend fragt der erste Teil der Studien besonders auch nach der kommunikativen Bedeutung, die Hermanns «Mörin» für ihr ursprüngliches Publikum gehabt haben könnte.