Das Bekenntnis zu Mehrsprachigkeit als bereicherndem kulturellem Kapital kommt vielen Europäern recht leicht über die Lippen. Gleiches gilt für die Politik. Schaut man etwas genauer hin, stellt sich rasch heraus, dass die meisten Befürworter dabei an Bildungsmehrsprachigkeit denken, an den Kanon der großen internationalen Verkehrssprachen, die der schulische Fremdsprachenunterricht vermittelt, an Englisch, Französisch, Italienisch, heute mehr und mehr auch an Spanisch. Weit weniger denken sie dabei an Formen konkret gelebter innerstaatlicher Mehrsprachigkeit, an die Begegnung zwischen der Staatssprache auf der einen und Regional-, Migranten- und Nachbarsprachen auf der anderen Seite, die aber gleichwohl alltägliche Praxis sind. Auch sie gutzuheißen und ihre schulische und soziale Präsenz zu fördern, fällt vielen Menschen deutlich schwerer. Wie vielfältig entsprechend die Herausforderungen sind, denen sich die Umsetzung innerstaatlicher Mehrsprachigkeit gegenübersieht, ist Gegenstand des vorliegenden Buches, das auf der Basis einer bereits langjährigen, fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen MitarbeiterInnen des Instituts für Sprachwissenschaft der Universität Bratislava und des Instituts für Romanistik der Universität Wien entstanden ist.
Peter Cichon Knihy






Gelebte Mehrsprachigkeit
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Mehrsprachigkeit ist ein wertvoller Bestandteil unseres kulturellen Kapitals und ihre gesellschaftliche Förderung eine gewinnbringende Investition in die Zukunft. Ignoriert man die bestehende Pluralität von Sprachen und Kulturen, können soziale Verwerfungen entstehen, deren spätere Behebung oft teurer ist als eine rechtzeitige Integration in die Entwicklungspläne. Individuelle und soziale Mehrsprachigkeit funktionieren in der Regel komplementär und asymmetrisch, sodass ein quantitativ und qualitativ gleichwertiges Nebeneinander von Sprachen selten vorkommt. In einer Gemeinschaft gibt es meist eine Mehrheitssprache, die auch Amtssprache ist, und mehrere Sprachen mit eingeschränktem Funktionsradius. Diese benötigen in einer offenen, demokratischen Gesellschaft besondere Rücksichtnahme. Nachhaltige Mehrsprachigkeit kann nur als Gemeinschaftsprojekt gelingen. Drei gesellschaftliche Gruppen müssen zusammenarbeiten, um den Status, das Prestige und die Praxis der einzelnen Sprachen auf hohem Niveau zu halten: die Politik, die die erforderlichen administrativen und schulischen Infrastrukturen aufbaut; die (Mehrheits-)Gesellschaft, die einen Diskurs führt, der kulturelle Toleranz fördert; und die Sprecher weniger präsenter Sprachen, die für eine hochsprachliche Norm und ein gefestigtes Sprachbewusstsein sorgen, damit ihre Sprache im kulturellen Austausch gehört wird.
Eine Welt?
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Die Umsetzung gelebter gesellschaftlicher Mehrsprachigkeit und nicht nur die von Bildungsmehrsprachigkeit ist vor allem in Westeuropa mit einer schweren historischen Hypothek belastet, nämlich dem Konzept der monolingualen Staatsnation, das seit der Französischen Revolution und der deutschen Romantik die Sprachenpolitik und vor allem die Schulsprachenpolitik prägt. Es hat häufig den Blick für die unterhalb der dominierenden Staatssprache existierende multilinguale Wirklichkeit unserer Gesellschaften getrübt und zugleich deren soziale Konnotation geschwächt. Wie heute die ideelle und bildungspraktische Begegnung zwischen den europäischen Staatssprachen und den verschiedenen Regional-, Minderheiten- und MigrantInnensprachen aussieht, ist ein Schwerpunkt der geplanten Publikation. Kontrastiv dazu wird in einem zweiten Schwerpunkt über die Grenzen Europas hinaus nach Afrika, Asien und Lateinamerika geschaut, wo oft eine bereits seit langem bewährte Mehrsprachigkeitsdidaktik existiert.
Europasprachen
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Sprachenvielfalt gilt in der EU als „Fundament des europäischen Gedankens und des gemeinsamen europäischen Erbes“. Die Dominanz einer Sprache wird daher entschieden abgelehnt. Zugleich gab es zu allen Zeiten Faktoren, die zur überregionalen Verbreitung einzelner Sprachen geführt haben und heute weiterhin dazu führen. Man denke an Religion, Handel, Wissenschaft und Kunst, an Arbeitsmigration, aber auch an die machtpolitische Ausweitung des Geltungsbereichs einzelner Sprachen. Solchen Faktoren wird im Sammelband „Europasprachen“ für Vergangenheit und Gegenwart nachgegangen. Er behandelt Latein, Spanisch, Französisch, Italienisch, Deutsch, Englisch sowie Arabisch und Türkisch. Für die Sprachwissenschaft ebenso wie für die Geschichtswissenschaft ist dies ein neues und zukunftsweisendes Thema.
Sprachen - Sprechen - Schreiben
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The compilation features a range of scholarly contributions exploring the complexities of bilingualism and multilingualism. Peter Cichon discusses cognitive development in individual bilingualism, while Eva Gugenberger examines the shift in terminology and paradigms within language contact research. Roberto Bein contrasts Tolstoy's views with Fishman's on diglossia without bilingualism. Jürgen Erfurt addresses the cultural and linguistic needs of migration societies, drawing lessons from Québec. Joachim Born reflects on the tension between language preservation and integration through the experiences of Hilde Domin and Erwin Walter Palm in exile. Barbara Czernilofsky shares four biographical narratives of being bilingual among monolinguals, and Michael Metzelin presents a transcultural life story. Astrid Hönigsperger discusses the individual and collective challenges faced by the largest Friulian community outside Europe. Catherine Parayre highlights the trilingual works of Acadienne author France Daigle. Philippe Gardy analyzes the presence of French and the emergence of Occitan in René Nelli's early poetry. Martin Arndorfer explores the career of bilingual writer Raymond Federman, while Kathrin Sartingen delves into the linguistic diversity in the context of the beehive metaphor in literature and film. Max Doppelbauer examines multilingual outsiders in Renaissance comedy, and Heinrich Stiehler reflects on Walter Benjamin's c
Afrikanische Antworten: aktuelle Ist-Analysen und Entwicklungstendenzen nicht aus der europäischen Außen-, sondern aus der afrikanischen Innensicht. 2007 löste Nicolas Sarkozys Rede in Dakar bei afrikanischen Intellektuellen Empörung aus. 'Der afrikanische Bauer', belehrte er sein Publikum, 'kennt nichts als die unendliche Wiederholung der ewig gleichen Gesten und Worte. In dieser Vorstellungswelt, wo alles immer wieder von neuem beginnt, ist kein Platz für das Abenteuer Mensch, für die Fortschrittsidee.' (Rede zweisprachig im Buch) Die AutorInnen verurteilen die Arroganz, Afrika Modernitätsdefizite zu unterstellen, und die Bagatellisierung französischer Verantwortung an den durch Kolonialismus verursachten Notständen. Dabei wird klar: Jede – angesichts der Krise dringend notwendige – Neuorientierung der globalen Wirtschafts-, Friedens- und Kulturpolitik, die nicht alle Kontinente als Global Players einbezieht, kann nur neue Katastrophen zeitigen, weil in einer Welt mit beschleunigter Vernetzung vermeintliche ›Kollateralschäden‹ in Wirklichkeit längst alle betreffen. 11 Beiträge aus der von Makhily Gassama herausgegebenen Schrift 'L’Afrique répond à Sarkozy' sind hier ergänzt um ein in aktuelle Afrika-Diskurse einführendes Vorwort. Die Forderung der AutorInnen, weltweit mit eigener Stimme gehört zu werden, ist verwoben mit exzellenten interdisziplinären Analysen.
Entgrenzungen
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Die Festschrift für Georg Kremnitz zum 60. Geburtstag spiegelt thematisch zwei seiner aktuellen Forschungsinteressen wider und versucht Denkanstöße für die Ausweitung dieses Forschungsfeldes beizusteuern. Soziologie der Kommunikation wurde von Kremnitz im Sinne einer erweiterten Soziolinguistik konzipiert, die einerseits von der zentralen Bedeutung gesellschaftlicher Konstellationen als beeinflussender Faktor für das kommunikative Verhalten ausgeht andererseits sich neben individueller Kommunikation vor allem auf Kommunikationsprozesse in Institutionen konzentriert. Der dabei zugrundegelegte Institutionsbegriff ist ein sehr weiter. Dieser Forschungsansatz regt sowohl zu theoretisch-programmatischen Reflexionen als auch zu anwendungsorientierten Skizzierung möglicher neuer Forschungsfelder an. Unter Sprachen in Räumen sollen synchrone und/oder diachrone Beschreibungen von Sprachräumen als Begegnungsstätten von Sprachen (und nicht als Stätten der Durchsetzung bzw. Selbstverwirklichung von Einzelsprachen) versammelt werden. Dabei wird Raum nicht nur in seiner geographischen Dimension verstanden, sondern wir integrieren darin auch die verschiedenen sozialen Praxen des Sprechens und Schreibens in Institutionen, Literaturen, im gesellschaftlichen Leben im städtischen und/oder im ländlichen Umfeld etc.